Donnerstag, 26. Dezember 2019

Was erzählt wird, ist selten neu, wie es erzählt wird, schon eher


Diese wenigen Sekunden (0:50-1:09) aus der 16. Folge von "Little Witch Academia" entsprechen in ihrer Aussage einem rund 450 Jahre älterem Gemälde mit dem pittoresken Titel "Landschaft mit dem Sturz des Ikarus".
Obschon hier jeweils auf denselben Themenkomplex referierte wird, sind die Intentionen hinter beiden jedoch andere. Während Ikarus mit dem Versuch zu fliegen scheitert und ins Wasser stürzt, sind die beiden Hexen Akko und Lotte auf der Suche nach bestimmten Objekten, um eine sich ausbreitende Krankheit zu heilen. Gemeinsam ist beiden Werken, dass ihre Hauptfiguren in diesem Moment von ihrem Umfeld nicht wahrgenommen werden. Ihr individuelles Schicksal, so bedeutend oder unbedeutend es für die Allgemeinheit ist, ist nur für den Protagonisten, die Protagonistinnen selbst und das entsprechende Publikum das Zentrum der Aufmerksamkeit. Für die Nebenfiguren der jeweiligen Handlung ist ihr Handeln jedoch nicht von Belang.
In beiden Ausschnitten tritt damit für das Publikum ein Element der Ernüchterung ein, dass darin begründet ist, dass die Welt unabhängig von der Hauptfigur und deren Wahrnehmung beständig in ihrem Treiben fortfährt und somit verdeutlicht wird, dass die Protagonisten - den Betrachtenden gleich - nur eine Komponente ihrer Welt sind.
So ist der abgestürzte Ikarus auf diesem Gemälde im Vergleich zu anderen Bildnissen, die es von ihm und seiner Geschichte gibt, eben nicht die zentrale Figur, sondern nur ein Bestandteil dieses Werks und Akko und Lotte verschwinden durch den veränderten Fokus kurzfristig. Andere Titel haben ihre Figuren auf dieselbe Weise in bestimmten Szenen entweder in den Hintergrund oder durch das Gegenteil gezielt in den Vordergrund gerückt.
Das ein solch bestimmter Themenkomplex motivisch ähnlich eingefangen und abgebildet wird, zeigt sich nicht nur an diesem Beispiel, sondern ist eine generelle Konstante menschlicher Erfahrung und deren sprachlichen Vermittlung. Dementsprechend ist, ob bewusst inszeniert oder unbewusst rezipiert, selten neu, was erzählt wird, wie es erzählt wird, dagegen schon eher.  
Derlei Motive beruhen auf etwas Tatsächlichem, das in seiner Bedeutung, seiner Wirkung, seinem Sachverhalt überhöht und in ein leicht verständliches Muster überführt wurde.
Die Stärkung durch Energiezufuhr bei der Aufnahme von Nahrung, als ein Beispiel hierfür, verlängert sich in der Vorstellung des "Du bist was du isst" und geht soweit, dass man sich durch den Verzehr von Etwas dessen Kraft einverleiben könne.
Ein anderes Exempel, mit dem ich es dann hier belassen möchte, sind zwiegesichtige bzw. gespaltene Persönlichkeiten, die im Sinne "zweier Herzen in einer Brust" zur Vorstellung, das ein Körper zwei unterschiedliche, dabei aber strikt voneinander getrennte Entitäten vereine bzw. sich dieser Körper deshalb in zwei separate Teile spalten könne, überhöht wird.


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