Dienstag, 1. Dezember 2015

Die Vorgeschichte des Comics?

Der Einfluss auf die sequentielle Kunst
Hieronymus Boschs "Garten der Lüste" als Exempel
Innenansicht von H. Boschs "Garten der Lüste"
Monika Schmitz-Emans schreibt auf der dritten Seite ihres Werks "Literatur-Comics":
Einerseits ist es sinnvoll, den Comic im Kontext der langen Geschichte der Bilderzählung  zu sehen, andererseitspricht auch vieles dafür, seine eigentliche Geschichte erst mit dem späten 19. Jahrhundert beginnen zu lassen. In dieser Zeit gehen die Verleger der großen Tages- und Wochenzeitungen dazu über, komische Bildgeschichten abzudrucken, die schnell das Interesse einer breiten Leserschaft finden.
Dieser Blogeintrag wird einen Blick auf die Bildabfolge von Bilderzählungen und somit auch auf den geschichtlichen Kontext werfen. 
Wilhelm Busch: "Julchen, Ein festlicher Morgen, Blatt 18"
Bis zur Veröffentlichung der Werke von Wilhelm Busch (1832-1908) und L. Meggendorfer (1847-1925), die die Wende hin zu einer "engen Bildfolge" realisierten, 
herrschte in der Bildgeschichte die 'weite Bildfolge' vor. Hier liegen die Einzelbilder zeitlich recht weit auseinander. Die Bildabfolge reiht Höhepunkte, Stationen eines umfangreichen Geschehens aneinander. Das fordert vom Rezipienten aufmerksames Betrachten und assoziatives, kombinierendes Geschick, um den Zusammenhang der Bilder zu erfassen. Oft gelingt das nur, weil der erzählte Stoff schon vertraut ist oder, wie in vielen Bilderbogen- oder Bilderbuchgeschichten dieser Erzählweise, ein erzählender Untertext Verbindungen herstellt. 
Diese hier von Dietrich Grünewald auf Seite 13 seiner Publikation "Comics" beschriebenen "weiten Bildabfolge" bestehen denn auch etwa in den Bilderserien von William Hogarth (1697-1764), in manchen Darstellung der Arma Christi oder auch in den Triptychen Hieronymus Boschs (1450-1516). 

William Hogarths "Folge 'Die Wahlen'[3]"

William Hogarths "Folge 'Die Wahlen'[4]"

Im Folgenden wird sich dieser Beitrag nun mit Boschs Werk "Der Garten der Lüste" befassen, dessen mittlere Tafel der "Garten der Lüste" auch als "Imaginäres Paradies" benannt ist, und dessen linke Tafel das "Paradies" und dessen rechte Tafel die "Hölle" abbilden und dementsprechend auch nach jenen Abbildungen bezeichnet wurden.
Das Eigentümlichste an ebendiesem Triptychon Hieronymus Boschs ist, dass sich "[j]eder Bibelkenner […] schon damals eingestehen [musste], dass er im Hauptbild des Triptychons auf eine Fiktion stieß, denn dieser unschuldige Zustand einer paradiesischen Menschheit hat nicht nur in der biblischen Erzählung niemals bestanden, sondern wird auch durch die Logik der Bibel völlig ausgeschlossen."[1]
Für Bosch war diese Darstellung zur damaligen Zeiten, in der mitunter äußerst rigeros gegen Ketzer vorgegangen wurde, deswegen möglich, weil er auf der ersten Tafel seines Triptychons das Paradies ohne den Sündenfall zeigt[2] und somit ein "Imaginäres Paradies" entwirft, welches erzählt, wie sich das Paradies entwickelt haben würde, wenn es den Sündenfall niemals gegeben hätte. Bosch löst sich in der künstlerischen Darstellung der Bibelmotive somit erstmals von einem reinen Nacherzählen.[3] Was jedoch keineswegs bedeutete, dass sich Hieronymus Bosch in der Darstellung des "Imaginären Paradies" abseits der Bibeltexte bewegte, ganz im Gegenteil hielt er sich getreu an deren Ausführungen und zeichnete das Paradies als jenen Ort der Wollust, als der er in der Bibel beschrieben wird. Dieser Sachverhalt verdeutlicht unter anderem die akribische Anordnung der vier Flüsse[4], der Ländereien, der detaillierten Bilder der Lust[5] oder der gemalten Kombination eines Baumes und eines Brunnens, die nach unterschiedlichen Bibelstellen jeweils in der Mitte des Paradieses stehen sollen.[6]
  
"Der Höllenflügel […] [, in dem] [d]er Mensch […], statt in der Natur, in einer selbstgeschaffenen Zivilisation"[7] lebt, die im Hintergrund brennt, dient bei Bosch als Kulisse für all die Qualen, die die Menschen in jener Hölle erleiden müssen. Bei diesen Qualen handelt es sich jedoch um solche, die einen menschlichen Ursprung haben, beispielsweise zeigt der Vordergrund eine Bestraffung in einer Wirtshausszene samt Glücksspiel, womit deutlich wird,[8] dass bei Bosch "[d]ie Welt […] nicht mehr auf die Hölle zu warten […] [braucht, denn] [i]n den Händen der Menschen war sie selbst schon zur Hölle geworden."[9] Die Hölle Hieronymus Boschs repräsentiert solchermaßen auch die Qualen der noch lebenden Menschen und somit auch das Jammertal, durch welches sie zu gehen haben. Diese Betrachtung der Paradiesmotivik mit ihrer weiten Bildabfolge zeigt gerade im Kontrast zu den üblichen Zeitabständen zwischen moderneren Comicpanels, die überwiegend eine enge Bildabfolge aufweisen, wie sehr sich bestimmte malerischen beziehungsweise zeichnerischen abgebildete Narrative unterscheiden können
Außenflügel von H. Boschs "Der Garten der Lüste"

[1] Hieronymus Bosch. Garten der Lüste. S. 86 f.
[2] „Die Ausblendung des Sündenfalls ist eine Anomalie“ heißt es in Hans Beltings Werk „Hieronymus Bosch. Garten der Lüste.“ auf S. 25, denn ebenda wird angegeben, dass „anders als auf dem Paradiesflügel von Boschs Heuwagen oder seinem Gerichtsbild in Wien, […] der Sündenfall [hier fehlt], der sonst die Hauptsache ist, weil er das Tor zu einer Geschichte nach dem Paradies aufstößt“.
[3] Vgl. Hieronymus Bosch. Garten der Lüste. S. 87.
[4] Vgl. Evangelische Kirche in Deutschland und Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR. Die Bibel. Nach der Übersetzung von Martin Luthers. S. 4. 
[5] Vgl. Die Bibel. (siehe Fußnote 4) S. 3 und 5.
[6] Vgl. Hieronymus Bosch. Garten der Lüste. S. 87 f.
[7] Hieronymus Bosch. Garten der Lüste. S. 35.
[8] Hieronymus Bosch. Garten der Lüste. S. 35 ff.
[9] Hieronymus Bosch. Garten der Lüste. S.35.

Mittwoch, 28. Oktober 2015

IMPRESSUM


Cedric Piette
c/o Fakriro GbR / Impressumsservice
Bodenfeldstr. 9
91438 Bad Windsheim 



*Aktualisiert am 09. April 2024

Dienstag, 20. Oktober 2015

Ein Blick in die "Tatami Galaxy"

Ozu - die Verkörperung des "bösen Prinzips"? 
"Es ist ganz wahr, was die Philosophie sagt, daß das Leben rückwärts verstanden werden muß. Aber darüber vergißt man den andern Satz, daß vorwärts gelebt werden muß."
Der Anime "The Tatami Galaxy" von Masaaku Yuasa  (湯浅 政明, 1965-), dessen japanischer Titel "四畳半神話大系" (Yojōhan Shinwa Taikei) vielleicht besser mit "Der Grundriss der Mythologie der viereinhalb Tatamimatten" zu übersetzen ist, wird deshalb hier so ausführlich behandelt werden, weil er zu den kreativsten und vielschichtigsten Animes der letzten Jahre zählt. 

Jedes Medium bedingt individuelle narrative Muster und dementsprechend kann eine filmische Adaption nicht dieselben Elemente wie eine literarische Vorlage bedienen, sondern muss sich andere medienspezifische Formen suchen, will sie die gleichen Effekte beim Publikum erzielen. Folglich erzählt jedes Medium ein und dieselbe Geschichte auf seine eigene Weise und ebendieser Umstand führt dazu, dass - wie auch im Falle von Yuasas Herangehensweisen und seiner Arbeit ersichtlich ist - Umsetzungen immer Interpretationen des Ausgangsmaterials sind. Gerade was die Art der Erzählung und der Animation, die musikalische Untermalung, aber auch die Farbgebung, die verwendete Symbolik sowie Selbstreferentialität und intermediale Verweise angeht, entwickelt die Animevariante der "Tatami Galaxy" eine individuelle und zur Vorlage differente Sprache. Dieser Sachverhalt kann womöglich am greifbarsten in der Laufsequenz der letzten Episode festgemacht werden. Diese Laufsequenz ist in ihrem Schnitt und ihrer Bearbeitung eine Referenz und hierbei beinahe eine direkte Entsprechung einer Szene aus dem Film "Millennium Actress" von  Kon Satoshi (今 敏, 1963-2010). Was vor allem deshalb bemerkenswert ist, da sowohl Kons Werk als auch der Anime von Yuasa über einen ähnlichen fiktionalen Retrospektivblick auf das Leben ihrer Protagonisten als auch die individuelle Suche nach der eigenen Wahrheit und der Echtheit des Erlebten verfügen. Aus den in der Vorlage vier geteilten Geschichten wurden im Anime elf Folgen, mit neuen Handlungssträngen wie dem Fahrradrennen aus der dritten Episode, der Fahrradordnerarmee oder der Handlung rund um den Birdmanclub und dessen Aktivitäten. Neben Yuasa Masaaki war vor allem Drehbuchautor Ueda Makoto (上田 誠, 1979-) für diese Neuerungen verantwortlich. 
Dieser Blogeintrag wird sich im Folgenden nur noch flüchtig mit den Unterschieden beider Versionen beschäftigen, aber da diese durchaus markant sind, sollen hier wenigstens einige Beispiele skizzenhaft aufgezeigt werden.
© nipponart/beez/picti mundi/kadokawa
Denn wie unterschiedlich dasselbe in beiden Medien sein kann, verdeutlicht die Vorstellung Ozus durch den Ich-Erzähler. Im Roman von Morimi Tomihiko (森見登美彦, 1979-) heißt es auf der achten Seite:
"小津と私は同学年である。工学部で電気電子工学科に所属するにもかかわらず、電気も電子も工学も嫌いである。一回生が終わった時点での取得単位および成績は超低空飛行であり、果たして大学にいる意味があるのかと危ぶまれた。しかし、本人はどこ吹く風であった。野菜嫌いで即席ものばかり食べているから、なんだか月の裏側から来た人のような顔色をしていて、夜道で出会えば、十人中八人が妖怪と間違う。残りの二人は 妖怪である。弱者に鞭打ち、強者にへつらい、わがままであり、傲慢であり、怠惰であり、[...]"
"Ozu und ich sind im selben Semester. [...] Verachtet Gemüse, isst ausschließlich Instantgerichte, sein Teint gleicht irgendwie der Rückseite des Mondes. Wenn man ihn in der Nacht auf der Straße trifft verwechseln ihn acht von zehn Leuten mit einem Yōkai [einem Gespenst bzw. einem Monster]. Die verbleibenden beiden Personen sind sicher, dass er ein Yōkai ist. Peitscht die Schwachen aus, schmeichelt den Starken. Er ist selbstsüchtig, arrogant, faul, [...]". 
© nipponart/beez/picti mundi
Diese Beschreibungen der Figur Ozu werden auch im Anime wieder aufgegriffen, zum einen wie gehabt durch den Ich-Erzähler dem Publikum - in diesem Fall - auditiv vermittelt und zum anderen jedoch auch durch visuelle Einblendungen zitiert.
So heißt es im deutschen Untertitel, der Übersetzung des Erzählerkommentars: "8 von 10 halten ihn für ein Gespenst. 2 könnte man nicht vom Gegenteil überzeugen. Er erfreut sich am Unglück der anderen. Es gibt nichts Positives an ihm." Und die visuellen und hierbei farbig unterschiedlichen Benennungen weisen ebenfalls aus, was oben bereits aus dem Roman Morimis zitiert wurde. Schon an der Differenzierung des im Roman einheitlichen Textbildes auf Les- und Hörbares und vor allem die Art und Weise, wie diese Unterscheidung im Anime realisiert wird, zeigt sich eine ungleiche Bewertung des hier vermittelten Inhaltes. Noch handfester wird ebendies, wenn der wohl eingängigste Satz des Ich-Erzählers bei der Vorstellung Ozus im Anime: "Dies war der erste und schlimmste Kontakt mit Ozu." ("これが小津とのファーストコンタクトでありワーストコンタクトでもあった。") im Roman nicht vorkommt.
 
Das "böse Prinzip" ist ein Terminus, mit dessen Hilfe versucht  wird das diffuse Unbehagen und die vage Angst des Menschen vor etwas ihm Feindlichem auszudrücken, welches ihn beeinflussen oder gar lenken könnte
Ähnliche Gefühlszuschreibungen lassen sich mutmaßlich bis ins Ungewisse der Geschichte zurückführen und haben sicherlich einen elementaren Anteil an der Idee des Bösen, die in Form von Teufeln, Dämonen, Monstern oder gar Geistern in den verschiedensten menschlichen Mythologien auffindbar ist. Die hier noch zu verwendenden Zitate entstammen fast ausschließlich dem christlichen Kontext, da der Begriff des "bösen Prinzips" seinerseits unter den Parametern monotheistischer Religionen entstand.
Formulierungen wie der "böse Geist" lassen sich gehäuft im Neuen Testament finden. Auch die dieser Beschreibung implizierte Wirkungsweise findet sich im Gespräch zwischen Satan und Gott schon im Alten Testament (Hiob 1,6-12). In diesem Fall beschreibt das "böse Prinzip", welches noch nicht zu einem Begriff geworden war die Versuchung des Menschen zum Bösen durch eine äußere Kraft. Diese Darstellungsweise findet sich hierauf in vielen literarischen Werken unter anderem in der "Historia von D. Johann Fausten" aus dem Jahre 1587 und mit einer abermaligen Verwendung der Unterredung Mephistos und Gottes aus der Hiobsgeschichte in Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) "Faust. Der Tragödie erster Teil". Dadurch, dass Ozu als Yōkai beschrieben und im Anime unter anderem als Kappa verbildlicht wird, ist wohl eine direkte Verbindung zum dämonischen Bösen in seiner Figur angelegt und somit auch die hier beschriebenen Aspekte an ihr auszumachen. 
In Immanuel Kants (1724-1804) Schrift "Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft" ist auf Seite 58 "[v]on dem Kampf des guten Prinzips, mit dem bösen, um die Herrschaft über den Menschen" zu lesen, woraus folgt, dass beide Prinzipen bereits auf den Menschen wirken und es nur noch fraglich ist, welches Prinzip sich am Ende durchsetzen wird beziehungsweise ob die im Menschen wirkenden Prinzipen ihn moralisch oder unmoralisch Handeln lassen. Bei Kant, bei dem diese beiden Prinzipen im Menschen veranlagt zu sein scheinen, ringen sie gewissermaßen in ihm um ihre Verwirklichung. 
In E.T.A Hoffmanns (1776-1822) "Der Sandmann" aus dem Jahre 1816 dagegen wird in Nathanaels Formulierung des "bösen Prinzips", das ebendort auch "feindliches Prinzip" genannt wird, der Begriff zu etwas, dass zwar einen negativen Einfluss auf das Leben des Einzelnen hat, aber vielmehr durch diesen selbst imaginiert ist und nicht tatsächlich äußeren Ursprungs ist. Was beide vorherigen Vorstellungen miteinander verbindet.
Friedrich Nietzsche (1844-1900) hingegen schreibt in seinem Werk "Morgenröte - Gedanken über die moralischen Vorurteile" aus dem Jahr 1881 auf Seite 496 Folgendes über "[d]as böse Prinzip. — Plato hat es prachtvoll beschrieben, wie der philosophische Denker inmitten jeder bestehenden Gesellschaft als der Ausbund aller Ruchlosigkeit gelten muss: denn als Kritiker aller Sitten ist er der Gegensatz des sittlichen Menschen, und wenn er es nicht so weit bringt, der Gesetzgeber neuer Sitten zu werden, so bleibt er in der Erinnerung der Menschen zurück als 'das böse Prinzip'." Bei Nietzsche ist demzufolge der Begriff neuerlich außerhalb des Menschen angesiedelt, in diesem Fall jedoch eigentlich positiv besetzt.
© nipponart/beez/picti mundi/kadokawa
Alles was im Folgenden über den Anime die "Tatami Galaxy" gesagt werden soll, wird nur am Beispiel der ersten Folge konkretisiert, die wie auch die letzte Folge gänzlich von Yuasa Masaaki stammt, während er in den anderen Folgen nicht jeden einzelnen Schritt selbst realisierte. 
der namenlose Ich-Erzähler
Dass Ozu das Gegenüber ist, welches um die Gunst der Liebe der Figur Akashi in Konkurrenz zum namenlosen Ich-Erzähler des Animes tritt, wird in der ersten Folge am Nekoramenverkaufsstand durch die Figur Higuchi etabliert, die sich ebenda als Gott Kamotaketsunumi betitelt. Auch antwortet der Protagonist an dieser Stelle auf die Frage: "Warum ist dein Charakter die letzten 2 Jahre immer nur negativer geworden?" mit den Worten: "Das ist, weil Ozu...", worauf Kamotaketsunumi meint: "Ich akzeptiere, dass Ozus Geist dich beeinflusste. Aber ist das alles?" Von dieser Ausgangssituation - die im Verlauf des Animes zu keinem Zeitpunkt relativiert werden wird - ausgehend, in der Ozu als physisch reales "feindliches Prinzip" ausgemacht worden ist, blickt der namenlos Ich-Erzähler zurück auf die letzten Jahre. Bei dieser retrospektiven Erzählung seinerseits wird Ozu aus der Wahrnehmung des Protagonisten heraus von Beginn an mit den hier bereits zitierten negativen Beschreibungen belegt und die erste Begegnung zusammengefasst mit jenem "Dies war der erste und schlimmste Kontakt mit Ozu." Jene negative Konnotation Ozus wird noch deutlicher in der sich daran anschließenden Behauptung des Ich-Erzählers: "Wäre ich ihm nicht begegnet, meine Seele wäre unbeschmutzt geblieben." Zudem impliziert das äußere Erscheinungsbild, dadurch, dass es auf stereotype Darstellungsweisen von Monstern rekurriert, für das Publikum die Zeichnung dieser Figur als moralisch verwerflich. 
Ozu (小津)
Jedoch dadurch, dass der namenlose Protagonist sich selbst nach dem Rauswurf aus dem Tenniszirkel - in der ersten Folge - weiterhin mit Ozu und seinem Treiben gemein macht, erwachsen zwei mögliche Interpretationen. Zum einen kann es den Anschein erwecken, als ob er Ozu, jener Verkörperung des "bösen Prinzips", verfallen sei, folglich ihn im Sinne der biblischen Auslegung das Böse verführt habe, oder zum anderen, als ob gegenteiliges richtig wäre und er als selbstbestimmter Mensch dieses Handeln ebenfalls befürwortete, folglich das "böse Prinzip" im Sinne Kants im Ich-Erzähler selbst zur damaligen Zeit zu finden gewesen sei.
Ozu erwidert in der Mitte der ersten Folge auf die Anschuldigung des Protagonisten: "Wegen dir ist mein Studentenleben vor die Hunde gegangen!!", eines Vorwurfs in der Tradition der biblischen Deutung, "Ach Herrje, das beruht doch auf Gegenseitigkeit. Sie wären so oder so in dieser Lage gelandet. So oder so hätte ich Sie getroffen und alles für ihren Niedergang gemacht." Selbstverständlich kann man und wird vermutlich auch ebendiese Aussagen Ozus als perfide Entschuldung seiner Person in der gegenwärtigen Situation betrachten und sich an dieser Stelle mit der Sichtweise der Hauptfigur solidarisieren. Der Fortgang des Animes zeigt allerdings, dass es damit allein wohl nicht getan sein kann und durchaus mehr als eine schlichte Beeinflussung zum Guten oder zum Schlechten hinter der Beziehung beider Figuren steckt. Als Motivation für sein Handeln gibt Ozu denn auch an, dass dies "[s]eine Art von Liebe sei", was der Ich-Erzähler im Roman derart empfindet als würde Ozu ihn mit sich in den dunklen Meeresgrund hinabziehen. Selbiges Bild, welches Ozu jedoch noch zusätzlich in der Gestalt einer Seeschlange entwirft, die die Hauptfigur dieses Animes umschlingt und ihn hinab in einen Meeresgraben zieht, wird im Anime mit mehreren, jeweils unterschiedlich bezeichneten Meerestiefen verwandt. Sowohl im Roman als auch im Anime bricht sich die emotionale Enge bahn, die der Protagonist Ozu gegenüber in diesem Moment fühlt. 
Akashi (明石)
Wenn nun aber der Blick von diesen negativ konnotierten Beschreibungen der Figur Ozu nicht getrübt ist, kann durchaus etwas Positives in den Aussagen Ozus gefunden werden, etwa in der Mitte der ersten Folge. Ebenda gibt Ozu dem Protagonisten gegenüber an, den er hierbei siezt: "Bisher gab's nur einen Unglücklichen [Ozu selbst], der einen Idioten wie Sie verstand. [...] Aber ihr [Akashi] würde ich das auch zutrauen. Das ist ihre Chance!" Dass der Ich-Erzähler hierauf von einer "schwarzhaarigen Maid [spricht], die nur an wunderschöne Dinge denkt", offenbart eine gewisse Diskrepanz seiner Wahrnehmung mit der innerfiktionalen Realität und verweist darauf, wie auch der anschließende Kommentar Ozus, dass dies "[s]chon wieder so ein utopischer Traum" sei, dass das eigentliche Problem in der Psyche der Hauptfigur liegen könnte. Demnach ist Ozu als Verkörperung des "bösen Prinzips" etwas Wirkendes. Er kann aber weder mit dem biblischen noch dem Kant'schen Verständnis des Begriffs vollkommen erklärt werden. Speziell für die ersten Folgen des Animes kann Ozu im Sinne Nietzsches als missverstandener Ratgeber aufgefasst werden, der durch seine schelmische Art das Missverstehen sicher zusätzlich befördert. Trotz des bereits Gesagten bietet sich - als ein weiterer erhellender Interpretationsansatz - durchaus noch ein genauerer Blick auf eine weitere Definition des "bösen Prinzips" an.  In E.T.A. Hoffmanns "Der Sandmann" wird diese nämlich  vermittels der Worte Claras (S.25-26) anders formuliert und schildert dort vielmehr die Verbindung einer physischen Person, die auf das Innere einer Figur durch dessen imaginierte Sichtweise wirken kann.  Ebenda heißt es: "'Du hast recht, Coppelius ist ein böses feindliches Prinzip, er kann Entsetzliches wirken, wie eine teuflische Macht, die sichtbarlich in das Leben trat, aber nur dann, wenn du ihn nicht aus Sinn und Gedanken verbannst. So lange du an ihn glaubst, ist er auch und wirkt, nur dein Glaube ist seine Macht.'" Dieses Zitat in Bezug zur Anfangsszene der "Tatami Galaxy" gesetzt, verdeutlicht ebendas, was Kamotaketsunumi dem namelosen Ich-Erzähler mit seiner Aussage: "Ich akzeptiere, das Ozus Geist dich beeinflusste. Aber ist das alles?" klar zu machen versucht.
© nipponart/beez/picti mundi
Durch jene dem Publikum zu Beginn der "Tatami Galaxy" vorgesetzte Gegenposition Ozus zum Protagonisten und durch die subjektiv wertende Ich-Erzählung wird Ozu erst im Rahmen des Animes als dieses "böse Prinzip" im Sinne einer biblischen Deutung konstituiert. Zeitgleich wird er jedoch auf einer dahinterliegenden Ebene zuerst als "böses Prinzip" im Sinne Nietzsches und schlussendlich hauptsächlich im Sinne Hoffmanns verstehbar.  Und gerade darin wie der Anime "Der Grundriss der Mythologie der viereinhalb Tatamimatten" endet, wird dieser hier aufgezeigte narrative Umgang mit der Figur Ozu noch einmal manifest. Nur durch das Ende dieses Animes also, welches die Zeichnung der Figur Ozu als Funktion der Erzählung demaskiert, kann die "Tatami Galaxy" "rückwärts [betrachet] verstanden werden". 

___

Andere Interpretationen sprechen sich vehement dafür aus, dass man Ozu wie auch alle anderen Figuren dieses Werks als Verkörperung des Protagonisten und seiner Gefühlswelt begreifen soll. Dieser interpretatorische Ansatz ist durchaus nachzuvollziehen und hierbei stringent, allen voran wenn man sich die Änderungen in der letzten Folge zu Gemüte führt oder den Aspekt, dass Ozu immer dann in die Handlung einzieht, wenn die namenlose Hauptfigur an ihrem Tiefpunkt angelangt ist. Womit diese Interpretation eine Ergänzung zum hier Gesagten und keinesfalls einen Widerspruch zu ihm darstellt.

___________
Die hier als Vorlage für die Fotografien verwendete DVD-Box ist von beez entertaiment produziert worden und kann bei nipponart  erworben werden. 

Dienstag, 1. September 2015

"Gung-Ho" keine Analyse, aber einige wirre Überlegungen

Die ersten beiden Bände der Comicserie "Gung-Ho" - "Schwarze Schafe" und "Ohne Rücksicht auf Verluste" - hätten, wie in einem früheren Eintrag angekündigt wurde, eigentlich einer kritischen Analyse unterzogen werden sollen, jedoch  wird diese im Rahmen dieses Blogs nicht erfolgen. Deswegen soll an dieser Stelle lediglich gefragt werden, ob jene in dieser Comicserie enthaltenen Klischees und Stereotype die Qualität eines zu Beginn äußerst vielversprechend wirkenden Comics zerstören können?
Diese Frage muss sich jede:r Lesende selbst beantworten, hier sollen lediglich einige flüchtige Bemerkungen festgehalten werden. 
Zwar sind erst zwei von fünf Bänden erschienen und somit kann sich ein momentaner Eindruck als äußerst trügerisch erweisen, jedoch ist die nächste Veröffentlichung mit dem Jahr 2017 benannt, also in frühestens anderthalb Jahren, und dementsprechend ist der jetzige Zwischenstand durchaus - zumindest für die derzeitigen Leser:innen - von Dauer. Was hier nicht gesagt werden soll, ist, dass die Künstler sich beeilen sollen, ebendies wäre die gänzlich verkehrte Schlussfolgerung; lapidar könnte stattdessen gesagt werden, dass Qualität ihre Zeit einfordert.
© Cross Cult

Allerdings wirken nach zwei Bänden die Charaktere "Gung Hos" äußerst statisch und eher schablonenhaft; der coole fremde Angeber, die willenlose Drogenabhängige, der schweigsame Draufgänger, die überaus freizügige femme fatal, die kühle Kampfsport praktizierende Asiatin, das schöne Dummerchen, der treue Freund, das feige Großmaul und so weiter und so fort. 
Bereits an der Rückseite des ersten Bandes lässt sich an der Beschreibung dieses Comics "Regeln sind überlebenswichtig in der Gefahrenzone. Jedes Kind weiß das. Bis es ein Teenager wird!" die Entwicklung der ersten zwei Bände nachvollziehen und das Bild, welches ebendort von Jugendlichen und deren Persönlichkeit gezeichnet wird (bspw. B2 S,65-80). 
Als wären diese Klischees und Stereotype nicht genug, werden sexuelle Anspielungen und sexualisierte Darstellungen ohne erkennbare Funktion für die Handlung (vgl. "Splitternackt") schlicht als voyeuristische Abbildungen gezeigt (B1, S.11-12,39,50 u. B2, S.17,22-23,43-45). Auch wenn man den Autoren zugutehalten muss, dass sie teils diesen Voyeurismus als solchen ebenfalls gezielt dem Lesenden offenbaren (B2, S.19,43-45).
  © Cross Cult

Selbstverständlich kann man dies alles ganz anders sehen und das Gesagte im letzten Eintrag zu "Gung-Ho" hat gleichfalls noch seine Gültigkeit, nur wird bei genauerer Betrachtung ersichtlich, dass nicht alles in dieser Comicserie so gut geschrieben ist, wie es denn zuerst wirkt. Als Beleg hierfür sei nur die Funktionalisierung des Todes der Figur Liz genannt (B1, S.59), die und ihre Liebe zu Danny ein paar Seiten zuvor das erste Mal in "Gung Ho" auftauchen und sodann einen dramatischen Verlust markieren soll, der sich schließlich in der Rache Dannys bahnbrechen wird (B1, S.80). Aber kann man als Leser:in tatsächlich so viel Gefühl Liz gegenüber aufbringen, wenn man sie lediglich - wie auch ihre Liebe zu Danny - in nur sieben Panels skizziert bekommen hat? Und was für eine Charakterentwicklung ist bei Danny impliziert, wenn er seine Rache mit den Worten "Die haben Liz gefressen! Meine Liz!!!" (B1, S.80) begründet, wenn ebendiese Information alles ist, was die Lesenden über diese beiden Figuren vermittelt bekommen haben. Ähnlich mechanisch wirken nahezu alle in dieser Comicserie vorgeführten Figuren und gleichwie man sie auch betrachten mag, die Figuren bleiben stets ungelenke Marionetten des Handlungsverlaufs und erscheinen derart in keinster Weise wie tatsächliche Individuen.

Hiermit soll es was "Gung Ho" angeht, jedenfalls bis zur Veröffentlichung des dritten Bandes genug sein. Falls dieser Eintrag jedoch Anlass zu etwaigen Klagen bieten sollte, wird gerne in den Kommentaren zu jedweden Bemerkungen Stellung genommen werden. 

Dienstag, 30. Juni 2015

Gedanken zu ... Toriyamas "JACO - THE GALACTIC PATROLMAN"

Bei dieser Geschichte, die im Rahmen der "Toriyama Short Stories" beim Carlsen Verlag als fünfter Band dieser Reihe veröffentlicht wurde, handelt es sich um einen Manga von Toriyama Akira (鳥山 明, 1955-) aus dem Jahre 2013, der unter dem Titel "Ginga Patrol Jaco" (銀河パトロール ジャコ) erstmals im Weekly Shōnen Jump publiziert worden ist. 
In diesem Beitrag soll es aber nicht um die Handlung dieses Mangas gehen, diese kann entweder in selbigem Band gelesen oder gegebenenfalls auch im entsprechenden Wikipediaartikel nachvollzogen werden, vielmehr wird es hier um Eigenheiten Toriyamas und intermediale Verweise innerhalb dieser Geschichte gehen. 

Wie bereits bei Toriyamas früheren Werken sind es die detaillierten Darstellungen, vor allem was den Hintergrund angeht, die die Zeichnungen der einzelnen Panels von vielen anderen eher schlichter gehaltenen Mangazeichenstilen abgrenzen. 
In einem Interview des Jahres 1990 meinte er hierzu: „Am meisten beeindrucken mich jedoch Landschaften, wie sie in Dokumentarfilmen über große und unbekannte Gebiete gezeigt werden. Sie sind noch großartiger als das, was ich mir ausdenke, ich muss mich jedes Mal geschlagen geben. Reale Landschaften sind häufig toller als fantastische.“ (TWS, S.5) 
© Carlsen
Dass hingegen die gesamte Handlung irreal ist und in einer Welt spielt, die zwar unserer gleicht, aber nicht mit ihr identisch sein kann, wird der Leserschaft bereits mit den ersten Panels und dem dort abgebildeten UFO, dem Mond und dem Erzählerkommentar klar zu verstehen gegeben. Dieser Umstand findet sich in jedem Werk Toriyamas und er erklärte selbst: „Phantasiewelten machen alles viel einfacher. Würde ich meine Geschichten in der wirklichen Welt spielen lassen, müsste ich viel mehr recherchieren, damit alles möglich echt wirkt. Ich finde, wenn man sich davon befreit, kann man viel mehr herumspielen und zeichnen, was immer einem gerade gefällt. Darum ziehe ich Phantasiewelten vor.“ (DB 1, S.177) 

Derart verwundert es wenig, dass in einem Panel "JACOs" ein Schweinchen an einer Hundeleine (S.82) ausgeführt wird. Dieses Schweinchen hat bei genauerer Betrachtung jedoch weitaus mehr als nur eine staffierende Funktion. Es wird zudem über eine Mauer herab auf das Geschehen unter ihm schauend gezeigt (S.84). Allerdings ist das Schweinchen in die Handlung nicht mit einbezogen und scheint dementsprechend - dem Zuschauer gleich - das Gezeichnete zu beobachten. In der Abbildung dieses Schweinchens und dem unmittelbaren Wechsel seiner Postion - die nur dann stringent sein kann, wenn es sich um zwei identisch aussehende Schweine oder aber um ein Schwein handelt, dass nicht direkt mit der Geschichte und deren Kausalität verknüpft ist - wird hier im Hintergrund eine selbstreflexive Darstellung gezeigt. Dass diese Behauptung nicht eine zufällige und unhaltbare ist, wird deutlich, wenn berücksichtigt wird, dass es weitere selbstreflexive Stellen in "JACO" gibt.
In zwei metafiktionalen Figurenaussagen werden die künstlerische Gemachtheit und zeitgleich die Grenzen des eigenen Mediums noch viel expliziter vorgeführt. Zum einen im Gespräch zwischen Omori und Jaco (S.35) und zum anderen in einer Feststellung des Staatspolizisten Katayude (S.162) zum gerade Geschehenen. 
© Carlsen
"Omori: '... Was hatten diese Bewegungen gerade zu bedeuten?' Jaco: 'Die sollten nur den langen Text etwas spannender machen.'"(S.35) und "Katayude: 'D...Das alles ...' '... in nur einem Panel ...'"(S.162).
Derartige Verweise auf die Fikitonalität des Dargestellten, ob es sich um die Panelunterteilung oder die Aussagen der Figuren handelt, finden sich bei Toriyama - meist unter einer scherzhaften Wendung - bereits in seinen ersten drei Kurzgeschichten (Vgl. TSS 3, S.3-49) und fortan in jedem weiteren Werk. Speziell in "Neko Majin" wurde diese Art der selbstreflexiven Komik abermals besonders deutlich (Vgl. TSS 4, S.135 und 153).

Durch das Abbilden von Figuren aus anderen Geschichten wird in "JACO" auf die weiteren Werke Toriyamas verwiesen, wie dies bereits beispielsweise mit Figuren von "Dr. Slump" in "Dragon Ball" der Fall war (vgl. DB 7, S.119-160). Diese intermedialen Verweise spiegeln sich vor allem im Fernseher Omoris wieder, dort sind der Schulrektor aus "Dr. Slump" als Nachrichtensprecher (S.63), "Neko Majin" (S.115) und anderen Figuren auszumachen, die an Charaktere aus "Dr. Slump" erinnern (S.8, 65, 116, 196). 

Gerade beim Blick auf die abgebildeten Medien und wie diese in "JACO" von den Figuren rezipiert werden, lässt sich feststellen, dass die Wahrnehmung der jeweiligen Figuren nie eine uneingeschränkte ist, sondern sie unentwegt von anderen Eindrücken überlagert wird. Was den Betrachtungswechsel der Figuren von einem Medium auf ein anderes, von einem Medium auf die innerfiktive Realität oder umgekehrt nach sich zieht. 
Diese Übergänge sollen im Folgenden an den drei aussagekräftigsten Beispielen dieses Mangas konkretisiert werden. 
  • Es hat den Anschein, dass Omori während des Abendessens eine Nachrichtensendung in seinem Fernseher verfolgt (S.8), im nächsten Panel ist jedoch ersichtlich, dass Omori gleichzeitig in einem Buch namens "HOURS OF OPERATION" liest (S.9), hierauf schaltet er den Fernsehapparat ab und widmet, sich - nach dem Ende seines Abendmahls - bei einer Zigarette ganz der Lektüre (S.9-10). Dieser langsame Übergang weicht durch ein Geräusch und einem sichtbaren ins Meer stürzenden Flugobjekt einem weiteren, in diesem Fall aber rasanten Wechsel, der den Fokus des Protagonisten Omori gänzlich auf das Geschehen vor ihm verlagert (S.10-11). 
  • Katayude unterbricht das Lesen seiner Zeitung, um den Bildern einer Fernsehnachrichtensendung zu folgen (S.136-138), zeitgleich halten Omori, Jaco und Tights in ihrem Abendessen inne und sehen sich ebenfalls diese Sendung an
  • Um den Start einer Rakete besser nachvollziehen zu können, wechseln Jaco und Omori vom Radio auf den Fernseher, worauf die Ankunft des Staatspolizisten Katayude und seiner Polizeieinheit die Konzentration der Beiden auf sich zieht (S.144-149). 
Um das selbstreferenzielle Verweisen und die zahlreichen Anspielungen Toriyamas in diesem Werk verständlicher zu machen, sollen hier schlaglichtartig noch einige Beispiele genannt werden.
Jaco gleicht den Außerirdischen aus "Neko Majin" (vgl. TSS 4, S.43-73) und die beiden Flugobjekte und deren Antennen sind gewissermaßen identisch, wie auch das beide innerhalb der Handlung beschädigt werden und sodann repariert werden müssen. Jacos Phantombilder (S.137,196) erinnern an Zeichnungen von Ultraman und somit eine Figur, die Toriyama in "Dr. Slump" bereits mehrfach gezeichnet hat (vgl. z.B. DS 1, S.28 und DS 2. S.8). Jacos Pieksen einer Krabbe (S.37) erinnert an Arale und eine ihrer Gewohnheiten (vgl. z.B. DS 3, S.153). 
                                                                                                                      © Carlsen / picti mundi
Jacos Sprung und Tritt, sowie die anschließende Explosion (S.180-183), ähneln dem Sprung und Tritt Son-Gokus, sowie der anschließenden Explosion, in seinem letzten Kampf gegen den Roboter der Red-Ribbon-Arme (DB 8, S.169-175).
Der galaktische Weltraumpolizist, der auf der Erde strandet, ist eine Figur die Toriyama Akira schon in den Jahren 1990 und 1991 in seinen drei Kapiteln des Mangas "Cashman - Der Krieger der Sparbüchse" verwendete (TSS 1, S.41-114). Wie bereits in „Go! Go! Ackman!“ (vgl. TSS 1, S.195-198) handelt es sich auch bei der in „JACO“ erwähnten Figur des Weltraumkönigs (S.56 und 244) um einen tintenfischähnlichen Außerirdischen.  
  © Carlsen / picti mundi

Der in die Jahre gekommene Wissenschaftler Omori, lässt nicht nur äußerlich an Sheriff Rao, den einstigen General Shiba, aus Toriyamas "Sand Land" denken, sondern hat auch in seiner Figurenkonzeption und somit auch in seinem Charakterzügen, seiner Persönlichkeit vieles mit diesem gemein. Beide haben ihre Frau durch die Arbeit für die Regierung verloren, worauf sie sich von ihren Vorgesetzten distanzieren und für sich selbst - allein und zurückgezogen - lebten. Ferner werden sowohl Omori als auch Sheriff Rao am Ende des jeweiligen Mangas von einstigen Verbündeten der Regierung in ihrem aktuellen Sterben unterstützt (vgl. S. 189-193 und SL, S.199-212). 
Und viele weitere Kleinigkeiten, die hier nicht alle genannt werden können, aber in Toriyamas bisher genannten und bisher noch nicht genannten Werken zu finden sind. Im Prinzip ist fast alles eine Referenz auf das bisherige Schaffen, was Toriyama so sicherlich nur konzipieren konnte, da er im Ruhestand befindlich ist und somit sich abseits der alltäglichen Produktion die Zeit für eine derart durchdachte  Konzeption nehmen konnte. Besonders ersichtlich ist diese zu vermutende ausgiebige Planung, wenn man sich anhand zweier Zitate Toriyamas, dessen Arbeitsweise und Einstellung gegeben über dem Zeichen bewusst macht. 

  • „Korrekturen mit Weiß mache ich fast nie. Das kommt noch aus der Zeit, in der ich in einem Design-Büro angestellt war, wo man Wert darauf gelegt hat, Korrekturen möglichst zu vermeiden… Unsichere Striche gibt es bei mir so gut wie nicht. Bei Illustrationen ist das etwas anders, aber bei den Manga-Zeichnungen bemühe ich mich darum, alles mit festem, sicherem Strich zu zeichnen… Das kommt wohl daher, dass ich daran gewöhnt bin, direkt mit den Vorzeichnungen anzufangen, ohne vorher Grobentwürfe zu machen. Ich stelle mir die Bildinhalte der einzelnen Panels vor… und projiziere sie dann sozusagen aus meinem Kopf aufs Papier. Auf dem Papier gibt es dann unsichtbare Linien, denen ich beim Zeichnen einfach zu folgen brauche“ (TWS, S. 4).
  • „Mein Stil ändert sich ständig. Ich mache das bewusst, ich möchte niemals mit dem, was ist, zufrieden sein. Also ändere ich immer etwas, versuche ab und zu was Abenteuerliches[…]. Zufrieden bin ich mit meinem eigenen Stil nie“ (TWS, S. 4).
© Carlsen / picti mundi
Um zur Ausgangsaussage und somit zu den detaillierten Hintergründen zurückzukehren, die aller spätestens seit "Dr. Slump", aber im Grunde schon früher, im Schaffen Toriyamas enthalten sind, soll noch bemerkt werden, dass sich diese ebenfalls durch viele schmückende Figurationen auszeichnen. Exempel hierfür wären in diesem Werk die Krabbe (S.37,39,40,48,58,69), die Inselkatze (Cover, S.33,35,48,227), das Seeungeheuer Umibōzu (Cover, S.16,200,201,226) oder auch das schon erwähnte Schweinchen (S.82,84) und viele andere tierische Statisten. 
Das Licht- und Schattenverhältnis und wie mit diesem auf einfachste, aber wirkungsvolle Weise Räumlichkeit erzeugt wird, lässt sich par exellence auf den ersten Seiten des Mangas feststellen (S.9-10). Auch sind es kleine Details, wie das über der Tür hängende Bild der verstorbenen Frau Omoirs (S.8,23), deren sonst nicht erwähnter Name auf dem Grabstein (S.7,31), der Besteckgebrauch (z.B. S.136) oder das fehlende Antennenstück, die der Leserschaft nur bei äußerst genauer oder abermaliger Lektüre auffallen. 
Zudem zeichnet Toriyama seine Figuren keinesfalls eindimensional, sondern erschafft - selbst wenn es sich bei ihnen nicht um Protagonisten handelt - ambivalente Figuren, die auf mehr als nur eine Art begreifbar sind. Die besten Beispiele für diese Behauptung sind vielleicht die Abbildung des Wohnzimmers des Staatspolizisten Katayude (S.137) oder die zusätzlichen Informationen über Tight (S.212-227), die gemeinsam mit dem Gesagt und Gezeichneten am Ende des Mangas der Geschichte eine nicht zu erwartende Wendung verleiht, die dieses Werk zweifelsfrei in das Gesamtwerk Toriyamas eingliedert (S.206-229). 


______
Kürzel, der erwähnten Publikationen des Carlsen-Verlages: 

ohne Abkürzung = "JACO - THE GALACTIC PATROLMAN, TWS = THE WORLD SPECIAL Illustraionen, TSS = Toriyama Short Stories, DB = Dragon Ball, DS = Dr. Slump, SL = Sand Land. 

Bei den hier verwendeten Abbildungen handelt es sich um Produkte des Carlsen-Verlages

Zum Zusatzkapitel "Dragon Ball Minus: Das schicksalhafte Kind wird entsendet" soll an dieser Stelle nichts gesagt werden.