Dienstag, 30. Juni 2015

Gedanken zu ... Toriyamas "JACO - THE GALACTIC PATROLMAN"

Bei dieser Geschichte, die im Rahmen der "Toriyama Short Stories" beim Carlsen Verlag als fünfter Band dieser Reihe veröffentlicht wurde, handelt es sich um einen Manga von Toriyama Akira (鳥山 明, 1955-) aus dem Jahre 2013, der unter dem Titel "Ginga Patrol Jaco" (銀河パトロール ジャコ) erstmals im Weekly Shōnen Jump publiziert worden ist. 
In diesem Beitrag soll es aber nicht um die Handlung dieses Mangas gehen, diese kann entweder in selbigem Band gelesen oder gegebenenfalls auch im entsprechenden Wikipediaartikel nachvollzogen werden, vielmehr wird es hier um Eigenheiten Toriyamas und intermediale Verweise innerhalb dieser Geschichte gehen. 

Wie bereits bei Toriyamas früheren Werken sind es die detaillierten Darstellungen, vor allem was den Hintergrund angeht, die die Zeichnungen der einzelnen Panels von vielen anderen eher schlichter gehaltenen Mangazeichenstilen abgrenzen. 
In einem Interview des Jahres 1990 meinte er hierzu: „Am meisten beeindrucken mich jedoch Landschaften, wie sie in Dokumentarfilmen über große und unbekannte Gebiete gezeigt werden. Sie sind noch großartiger als das, was ich mir ausdenke, ich muss mich jedes Mal geschlagen geben. Reale Landschaften sind häufig toller als fantastische.“ (TWS, S.5) 
© Carlsen
Dass hingegen die gesamte Handlung irreal ist und in einer Welt spielt, die zwar unserer gleicht, aber nicht mit ihr identisch sein kann, wird der Leserschaft bereits mit den ersten Panels und dem dort abgebildeten UFO, dem Mond und dem Erzählerkommentar klar zu verstehen gegeben. Dieser Umstand findet sich in jedem Werk Toriyamas und er erklärte selbst: „Phantasiewelten machen alles viel einfacher. Würde ich meine Geschichten in der wirklichen Welt spielen lassen, müsste ich viel mehr recherchieren, damit alles möglich echt wirkt. Ich finde, wenn man sich davon befreit, kann man viel mehr herumspielen und zeichnen, was immer einem gerade gefällt. Darum ziehe ich Phantasiewelten vor.“ (DB 1, S.177) 

Derart verwundert es wenig, dass in einem Panel "JACOs" ein Schweinchen an einer Hundeleine (S.82) ausgeführt wird. Dieses Schweinchen hat bei genauerer Betrachtung jedoch weitaus mehr als nur eine staffierende Funktion. Es wird zudem über eine Mauer herab auf das Geschehen unter ihm schauend gezeigt (S.84). Allerdings ist das Schweinchen in die Handlung nicht mit einbezogen und scheint dementsprechend - dem Zuschauer gleich - das Gezeichnete zu beobachten. In der Abbildung dieses Schweinchens und dem unmittelbaren Wechsel seiner Postion - die nur dann stringent sein kann, wenn es sich um zwei identisch aussehende Schweine oder aber um ein Schwein handelt, dass nicht direkt mit der Geschichte und deren Kausalität verknüpft ist - wird hier im Hintergrund eine selbstreflexive Darstellung gezeigt. Dass diese Behauptung nicht eine zufällige und unhaltbare ist, wird deutlich, wenn berücksichtigt wird, dass es weitere selbstreflexive Stellen in "JACO" gibt.
In zwei metafiktionalen Figurenaussagen werden die künstlerische Gemachtheit und zeitgleich die Grenzen des eigenen Mediums noch viel expliziter vorgeführt. Zum einen im Gespräch zwischen Omori und Jaco (S.35) und zum anderen in einer Feststellung des Staatspolizisten Katayude (S.162) zum gerade Geschehenen. 
© Carlsen
"Omori: '... Was hatten diese Bewegungen gerade zu bedeuten?' Jaco: 'Die sollten nur den langen Text etwas spannender machen.'"(S.35) und "Katayude: 'D...Das alles ...' '... in nur einem Panel ...'"(S.162).
Derartige Verweise auf die Fikitonalität des Dargestellten, ob es sich um die Panelunterteilung oder die Aussagen der Figuren handelt, finden sich bei Toriyama - meist unter einer scherzhaften Wendung - bereits in seinen ersten drei Kurzgeschichten (Vgl. TSS 3, S.3-49) und fortan in jedem weiteren Werk. Speziell in "Neko Majin" wurde diese Art der selbstreflexiven Komik abermals besonders deutlich (Vgl. TSS 4, S.135 und 153).

Durch das Abbilden von Figuren aus anderen Geschichten wird in "JACO" auf die weiteren Werke Toriyamas verwiesen, wie dies bereits beispielsweise mit Figuren von "Dr. Slump" in "Dragon Ball" der Fall war (vgl. DB 7, S.119-160). Diese intermedialen Verweise spiegeln sich vor allem im Fernseher Omoris wieder, dort sind der Schulrektor aus "Dr. Slump" als Nachrichtensprecher (S.63), "Neko Majin" (S.115) und anderen Figuren auszumachen, die an Charaktere aus "Dr. Slump" erinnern (S.8, 65, 116, 196). 

Gerade beim Blick auf die abgebildeten Medien und wie diese in "JACO" von den Figuren rezipiert werden, lässt sich feststellen, dass die Wahrnehmung der jeweiligen Figuren nie eine uneingeschränkte ist, sondern sie unentwegt von anderen Eindrücken überlagert wird. Was den Betrachtungswechsel der Figuren von einem Medium auf ein anderes, von einem Medium auf die innerfiktive Realität oder umgekehrt nach sich zieht. 
Diese Übergänge sollen im Folgenden an den drei aussagekräftigsten Beispielen dieses Mangas konkretisiert werden. 
  • Es hat den Anschein, dass Omori während des Abendessens eine Nachrichtensendung in seinem Fernseher verfolgt (S.8), im nächsten Panel ist jedoch ersichtlich, dass Omori gleichzeitig in einem Buch namens "HOURS OF OPERATION" liest (S.9), hierauf schaltet er den Fernsehapparat ab und widmet, sich - nach dem Ende seines Abendmahls - bei einer Zigarette ganz der Lektüre (S.9-10). Dieser langsame Übergang weicht durch ein Geräusch und einem sichtbaren ins Meer stürzenden Flugobjekt einem weiteren, in diesem Fall aber rasanten Wechsel, der den Fokus des Protagonisten Omori gänzlich auf das Geschehen vor ihm verlagert (S.10-11). 
  • Katayude unterbricht das Lesen seiner Zeitung, um den Bildern einer Fernsehnachrichtensendung zu folgen (S.136-138), zeitgleich halten Omori, Jaco und Tights in ihrem Abendessen inne und sehen sich ebenfalls diese Sendung an
  • Um den Start einer Rakete besser nachvollziehen zu können, wechseln Jaco und Omori vom Radio auf den Fernseher, worauf die Ankunft des Staatspolizisten Katayude und seiner Polizeieinheit die Konzentration der Beiden auf sich zieht (S.144-149). 
Um das selbstreferenzielle Verweisen und die zahlreichen Anspielungen Toriyamas in diesem Werk verständlicher zu machen, sollen hier schlaglichtartig noch einige Beispiele genannt werden.
Jaco gleicht den Außerirdischen aus "Neko Majin" (vgl. TSS 4, S.43-73) und die beiden Flugobjekte und deren Antennen sind gewissermaßen identisch, wie auch das beide innerhalb der Handlung beschädigt werden und sodann repariert werden müssen. Jacos Phantombilder (S.137,196) erinnern an Zeichnungen von Ultraman und somit eine Figur, die Toriyama in "Dr. Slump" bereits mehrfach gezeichnet hat (vgl. z.B. DS 1, S.28 und DS 2. S.8). Jacos Pieksen einer Krabbe (S.37) erinnert an Arale und eine ihrer Gewohnheiten (vgl. z.B. DS 3, S.153). 
                                                                                                                      © Carlsen / picti mundi
Jacos Sprung und Tritt, sowie die anschließende Explosion (S.180-183), ähneln dem Sprung und Tritt Son-Gokus, sowie der anschließenden Explosion, in seinem letzten Kampf gegen den Roboter der Red-Ribbon-Arme (DB 8, S.169-175).
Der galaktische Weltraumpolizist, der auf der Erde strandet, ist eine Figur die Toriyama Akira schon in den Jahren 1990 und 1991 in seinen drei Kapiteln des Mangas "Cashman - Der Krieger der Sparbüchse" verwendete (TSS 1, S.41-114). Wie bereits in „Go! Go! Ackman!“ (vgl. TSS 1, S.195-198) handelt es sich auch bei der in „JACO“ erwähnten Figur des Weltraumkönigs (S.56 und 244) um einen tintenfischähnlichen Außerirdischen.  
  © Carlsen / picti mundi

Der in die Jahre gekommene Wissenschaftler Omori, lässt nicht nur äußerlich an Sheriff Rao, den einstigen General Shiba, aus Toriyamas "Sand Land" denken, sondern hat auch in seiner Figurenkonzeption und somit auch in seinem Charakterzügen, seiner Persönlichkeit vieles mit diesem gemein. Beide haben ihre Frau durch die Arbeit für die Regierung verloren, worauf sie sich von ihren Vorgesetzten distanzieren und für sich selbst - allein und zurückgezogen - lebten. Ferner werden sowohl Omori als auch Sheriff Rao am Ende des jeweiligen Mangas von einstigen Verbündeten der Regierung in ihrem aktuellen Sterben unterstützt (vgl. S. 189-193 und SL, S.199-212). 
Und viele weitere Kleinigkeiten, die hier nicht alle genannt werden können, aber in Toriyamas bisher genannten und bisher noch nicht genannten Werken zu finden sind. Im Prinzip ist fast alles eine Referenz auf das bisherige Schaffen, was Toriyama so sicherlich nur konzipieren konnte, da er im Ruhestand befindlich ist und somit sich abseits der alltäglichen Produktion die Zeit für eine derart durchdachte  Konzeption nehmen konnte. Besonders ersichtlich ist diese zu vermutende ausgiebige Planung, wenn man sich anhand zweier Zitate Toriyamas, dessen Arbeitsweise und Einstellung gegeben über dem Zeichen bewusst macht. 

  • „Korrekturen mit Weiß mache ich fast nie. Das kommt noch aus der Zeit, in der ich in einem Design-Büro angestellt war, wo man Wert darauf gelegt hat, Korrekturen möglichst zu vermeiden… Unsichere Striche gibt es bei mir so gut wie nicht. Bei Illustrationen ist das etwas anders, aber bei den Manga-Zeichnungen bemühe ich mich darum, alles mit festem, sicherem Strich zu zeichnen… Das kommt wohl daher, dass ich daran gewöhnt bin, direkt mit den Vorzeichnungen anzufangen, ohne vorher Grobentwürfe zu machen. Ich stelle mir die Bildinhalte der einzelnen Panels vor… und projiziere sie dann sozusagen aus meinem Kopf aufs Papier. Auf dem Papier gibt es dann unsichtbare Linien, denen ich beim Zeichnen einfach zu folgen brauche“ (TWS, S. 4).
  • „Mein Stil ändert sich ständig. Ich mache das bewusst, ich möchte niemals mit dem, was ist, zufrieden sein. Also ändere ich immer etwas, versuche ab und zu was Abenteuerliches[…]. Zufrieden bin ich mit meinem eigenen Stil nie“ (TWS, S. 4).
© Carlsen / picti mundi
Um zur Ausgangsaussage und somit zu den detaillierten Hintergründen zurückzukehren, die aller spätestens seit "Dr. Slump", aber im Grunde schon früher, im Schaffen Toriyamas enthalten sind, soll noch bemerkt werden, dass sich diese ebenfalls durch viele schmückende Figurationen auszeichnen. Exempel hierfür wären in diesem Werk die Krabbe (S.37,39,40,48,58,69), die Inselkatze (Cover, S.33,35,48,227), das Seeungeheuer Umibōzu (Cover, S.16,200,201,226) oder auch das schon erwähnte Schweinchen (S.82,84) und viele andere tierische Statisten. 
Das Licht- und Schattenverhältnis und wie mit diesem auf einfachste, aber wirkungsvolle Weise Räumlichkeit erzeugt wird, lässt sich par exellence auf den ersten Seiten des Mangas feststellen (S.9-10). Auch sind es kleine Details, wie das über der Tür hängende Bild der verstorbenen Frau Omoirs (S.8,23), deren sonst nicht erwähnter Name auf dem Grabstein (S.7,31), der Besteckgebrauch (z.B. S.136) oder das fehlende Antennenstück, die der Leserschaft nur bei äußerst genauer oder abermaliger Lektüre auffallen. 
Zudem zeichnet Toriyama seine Figuren keinesfalls eindimensional, sondern erschafft - selbst wenn es sich bei ihnen nicht um Protagonisten handelt - ambivalente Figuren, die auf mehr als nur eine Art begreifbar sind. Die besten Beispiele für diese Behauptung sind vielleicht die Abbildung des Wohnzimmers des Staatspolizisten Katayude (S.137) oder die zusätzlichen Informationen über Tight (S.212-227), die gemeinsam mit dem Gesagt und Gezeichneten am Ende des Mangas der Geschichte eine nicht zu erwartende Wendung verleiht, die dieses Werk zweifelsfrei in das Gesamtwerk Toriyamas eingliedert (S.206-229). 


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Kürzel, der erwähnten Publikationen des Carlsen-Verlages: 

ohne Abkürzung = "JACO - THE GALACTIC PATROLMAN, TWS = THE WORLD SPECIAL Illustraionen, TSS = Toriyama Short Stories, DB = Dragon Ball, DS = Dr. Slump, SL = Sand Land. 

Bei den hier verwendeten Abbildungen handelt es sich um Produkte des Carlsen-Verlages

Zum Zusatzkapitel "Dragon Ball Minus: Das schicksalhafte Kind wird entsendet" soll an dieser Stelle nichts gesagt werden. 

1 Kommentar:

  1. Nachdem im Vorspann von "Dragon Ball Super" Jaco ebenfalls kurz gezeigt wird, stellt sich die Frage, ob er im Verlauf der Handlung dieser neuen Animeserie ebenfalls eine wichtige Rolle haben soll oder ob er in Form seiner Geschichte - der Geschichte dieses Mangas - in "Dragon Ball Super" nur als Statist erscheinen wird.

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