In
diesem Gastbeitrag soll es um Albrecht Dürers (1471-1528) Einfluss auf den Buchdruck und
die Mal- und Zeichenweise, wie die Komposition von Gedrucktem in der Frühen
Neuzeit gehen, was am Beispiel von Dürers „Marienleben“ konkretisiert werden
wird. Einen Einfluss der zu Veränderungen geführt hat, die maßgeblich für die
Entwicklung des heutigen Kunst- und Buchmarkts gewesen sind.
picti mundi
Albrecht Dürer
gestaltete die Holzschnitte zu seinem „Marienleben“ aus etwa 20
gleichformatigen Holztafeln in den Maßen 29,5 cm auf 31,1 cm. Sie sind von
einem Titel- und einem Schlussblatt gerahmt.[1]
Insgesamt 18 der 20 Holzschnitte erzählen die von Dürer ausgewählten Stationen
aus dem Leben Marias.
Neben diesen rein erzählerischen und kompositorischen Elementen der
Buchgestaltung lassen sich weitere formale Bestandteile wie Nachdruckverbot
sowie illustriertes Titelblatt feststellen.[2]
Albrecht Dürer: Marienleben. Maria auf der Mondsichel. |
Albrecht Dürer: Marienleben. Impressum und Nachdruckverbot. |
Auf diesem
ist die Mondsichelmadonna dargestellt sowie in zentrisch laufender Überschrift
Werktitel und Künstler. Das Schlussblatt enthält neben Grafik auch, unterhalb
dieser, das Impressum. In welcher
Reihenfolge die Holzschnitte entstanden ist in der Forschung umstritten,
lediglich der Zeitraum der Entstehungszeit von 1502 bis zum Jahr der
Veröffentlichung 1511 ist bekannt. Diese beginnen mit den Geschehnissen von
Marias Geburt, führen über Szenen ihrer Jugend und der Kindheit Jesu
schließlich zur Himmelfahrt und Krönung der Gottesmutter.[3]
Dürer fokussiert sich bei der Auswahl der einzelnen Szenen auf die erzählten
Hauptereignisse, wie sie in den apokryphen Schriften und der „Legenda Aurea“ des
Jacobus de Voragine zu finden sind.[4] Als weitere
wichtige formale Aspekte der Buchausgabe sind Schriftart, Bogen, Satz und
Druck, Bindung und Illuminierung zu nennen und sollen deshalb im Folgenden kurz
erwähnt werden. Der Druck selbst ist auf zehn große Bogen Büttenpapier von 43,2
cm Höhe und 61, 5 cm Breite angebracht. Diese Bögen wurden nach der
vorgegebenen Reihenfolge aufeinander gelegt und in der Mitte gefaltet. Daraus
ergeben sich für das Marienleben 40 Seiten, also 20 vorder- und rückseitig
bedruckte Blätter. Somit stehen sich in der Buchausgabe auf der linken Seite
die lateinischen Verse des Chelidonius dem auf der rechten Seite gelegenen ganzseitigen Bild gegenüber.[5]
Albrecht Dürer: Marienleben. Die Verkündigung an Maria. |
Diese
Anordnung wird im gesamten Werk eingehalten und schafft derart eine
gestalterisch-kompositorische Kontinuität. Anders als bei der bis dato typisch
mittelalterlichen Andachts- und Erbauungsliteratur sind bei Dürer nun Text und
Grafik gleichberechtig gegenübergestellt und klar voneinander getrennt. Die
Gestaltung der mittelalterlichen Buchillustration weicht davon in den meisten
Fällen deutlich ab, da in ihr oft kein durchdachter einheitlicher Aufbau
gegeben ist, sondern Text und Bild ohne klare Raumaufteilung angeordnet sind.
Auffällig sind auch die Schriftlettern mit denen Dürer seine Drucke anfertigen
ließ. Diese sind wie die „Kleine -“ und „Große Passion“ in Antiqua-Lettern,
eine aus der karolingischen Minuskel entwickelte Drucktype, gesetzt und wurde
für humanistische Texte und besonders für den Druck klassischer Autoren
verwendet. [6] Da die
fertigen Seiten nach dem Druck in losen Bögen vorlagen, war eine Bindung
notwendig um schlussendlich die Gesamtheit eines Buches zu erhalten. Diese Bindung
war jedoch eine aufwendige Angelegenheit und orientierte sich sowohl am persönlichen
Geschmack als auch an den finanziellen Mitteln des Käufers. Von Dürers Werkstatt
ist bisher nicht bekannt ob in ihr das Buchbindehandwerk betrieben werden
konnte.[7]
Bekannt ist jedoch die Werkstatt Hieronymus Höltzels der neben einer Druckerei
auch eine Binderei betrieb und Dürers „Kleine –“ und „Große Passion“ druckte.
Ob das Marienleben ebenfalls in dieser Werkstatt gedruckt wurde, ist nicht gesichert.[8] Die
Thematiken in Dürers Holzschnitten zum „Marienleben“ sind durch zahlreiche
christliche Werke beeinflusst. Ausgangspunkt der Darstellungen sind das
Matthäus- und Lukasevangelium des Neuen Testaments (Mt. 1, 16-24), (Lk. 1,
26-80). Dürer wählte diese Evangelien wohl aus dem Grunde, da in diesen die
Verkündigung an Maria sowie die Geburt Jesu Erwähnung finden. Vor allem bei Lukas
findet Maria besondere Beachtung und schildert dazu in allen Einzelheiten die
Geburt und Kindheit des Gottessohnes. In den Evangelien des Markus und des
Johannes fallen diese Erzählungen vollständig heraus und konnten daher nur
schwerlich als Vorlage dienen.
Die
Evangelien als früheste schriftlich zu fassende christliche Werke entstanden im
1. Jahrhundert und bilden das Grundgerüst der Erzählungen über Maria und Jesus,
bieten jedoch noch nicht die ausführlichen und geschmückten Erzählungen wie in
Texten späterer Zeit. Zu nennen sind an dieser Stelle die apokryphen Schriften
des 2. Jahrhunderts des Protoevangeliums des Johannes, in welchem Marias Eltern
Joachim und Anna erstmals erwähnt werden, sowie das Kindheitsevangelium des
Pseudo-Matthäus, welches in das 10. Jahrhundert zu datieren ist und weitere
Ausschmückungen des Lukas- sowie des Matthäusevangeliums enthält. In den
folgenden Jahrhunderten entstand ein immer größeres Interesse am Leben Marias
als unbefleckte Empfängerin. Dieser Neugier folgten zahlreiche weitere
Erzählungen die nun auch über die Eltern Marias, ihre Kindheit sowie ihre Freuden
und Leiden berichteten. Zu diesen Werken zählt besonders das im 13. Jahrhundert
entstandene Sammelwerk, die „Legenda Aurea“ des Jacobus de Voragine, in welchem
vor allem die Lebensgeschichten Heiliger und Heiligenlegenden zusammengetragen
sind. Die Beliebtheit und das Interesse an dieser christlichen Thematik
spiegelt sich auch im zweibändigen Werk „Beschlossen gart des Rosenkrantz
Marie“ von Ulrich Pinder wieder, welches im Jahr 1503 in Nürnberg
veröffentlicht wurde. Es liefert ein Beispiel für die konkrete Vorstellung von
der um 1500 allgemein verbreiteten Auffassung und vor allem der Bedeutung
Marias als Mutter Jesu.[9] Die
Verehrung der Maria, auch Marienkult genannt, hat also eine lange Tradition die
bereits mit den frühsten christlichen Schriften beginnt und über die
Jahrhunderte immer mehr an Einfluss und Bedeutung gewonnen hat, sowohl für das
Christentum als Religion als auch in der Kunst. Welche
schriftlichen Werke Dürer demnach als Grundlage seiner Holzschnitte verwendete,
wie viele Texte ihm bekannt waren, die Maria thematisierten, und wann er begann
sich diesen Inhalten der christlichen Lehre zuzuwenden ist nicht mit
Bestimmtheit festzustellen, lediglich die Entstehungszeiträume seiner
verschiedenen Werke. Jedoch war der Marienkult zu Dürers Zeiten in der Religion
als auch Kunst fester Bestandteil, sodass er mit den Inhalten sicherlich
vertraut war.
Heute gerne
verwendete Übersetzungen des Neuen Testaments Martin Luthers oder auch Huldrych
Zwinglis haben keinen Einfluss auf das Schaffen Dürers nehmen können, auch wenn
diese aufgrund des allgemeinen Bekanntheitsgrades in der Literatur gerne
zitiert werden. Beide Übersetzungen entstanden allerdings erst nach Dürers
Veröffentlichung und somit der Entstehung des „Marienlebens“ nach 1520. Vor Luthers
und Zwinglis Bibelübersetzungen war eine der wohl geläufigsten Varianten, die
Gutenberg-Bibel, die zwischen 1452 und 1454 entstand und bereits Texte des
Alten sowie Neuen Testaments beinhaltet. Darüber hinaus stand Dürer sicherlich
auch die Möglichkeit zur Verfügung Übersetzungen bei gelehrten Geistlichen zu
ersuchen. Auszuschließen ist, dass Dürer selbst Übersetzungen anfertigte, da
er, wie aus schriftlichen Quellen zu entnehmen ist, nicht über die hierfür nötigen
Lateinkenntnisse verfügte.[10]
Aus diesem Grund erscheint es wahrscheinlich, dass der von ihm betraute
Nürnberger Benediktergelehrten Benedictus Chelidonius, der nicht nur die
lateinischen Verse zum Marienleben, sondern möglicherweise auch Übersetzungen
inkunabelzeitlicher Literatur anfertigte, die Dürer zum Verständnis der
religiösen Inhalte benötigte. Da Dürer und Chelidonius bereits an anderen
Werken wie zum Beispiel der „Großen Passion“ zusammenarbeiteten, diente
Chelidonius auch bekannter Weise mehrfach als Übersetzer Dürers.[11] Wann Dürer und Chelidonius ihre Zusammenarbeit begannen, ist jedoch nicht
bekannt.[12] Dürers
„Marienleben“ ist sicherlich in den Bereich der Andachtsliteratur einzuordnen,
unterscheidet sich aber im Aufbau, Technik und Inhalt doch von den
Stundenbüchern des Hochmittelalters. Während die mittelalterliche Buchmalerei
keine klare Anordnung von Text und Grafik kennt, sodass diese in verschiedenster
Weise zusammen fungieren können, weist Dürers „Marienleben“ zu Beginn der
Renaissance diesbezüglich eine klare Trennung auf, die Text und Grafik
gegenüberstellt.[13] Entscheidend für den
Buchdruck und für Dürers schaffen dürfte die Erfindung des Buchdruckes mit
beweglichen Lettern gewesen sein, die ein schnelleres und effizienteres Arbeiten
und Drucken ermöglichte und derart die Vervielfältigung von Büchern erleichterte.
Neben dem Druck von Lettern, ist aber auch der grafische Druck eine Neuerung im
Gegensatz zu den typischen Buchmalereien des Mittelalters.
Für die
inhaltlichen Neuerungen dürften die humanistischen Einflüsse eine bedeutende
Rolle gespielt haben, wie auch an Dürers „Marienleben“ zu erkennen ist. Ebenda
spricht beispielsweise die Gottesmutter Maria in einer emotionalen Apostrophe
den Leser direkt an und bietet ihre Vermittlung bei Schicksalsschlägen,
Sündenablas und Todesfurcht an.[14]
Es ist der klare Aufbruch der Abgrenzung zwischen dem reinen unantastbaren
überhöhten himmlischen, hin zur Betrachtungsweise des Menschen als Individuum
im Wirkungsfeld des Heiligen. Auch die Aufwertung Marias als Frau spiegelt sich
hier wieder, die nun nicht mehr nur die Tugendreine darstellt, sondern ebenso
zur gelehrten „virgo docta“ erhoben wird, in der sich die Aufwertung der Frau
durch die Humanisten spiegelt.[15]
Albrecht Dürer: Marienleben. Die Verkündigung an Maria. |
Dürer
lokalisiert die „Verkündigung“ in einer weiten, lichtdurchfluteten
Hallenarchitektur in einem zentralperspektivisch angelegten Raum, mit
Fluchtpunkt und Fluchtlinien.[16] Er beweist den Umgang mit Proportion sowie
der Unterscheidung verschiedener Ebenen im Bild, die zum Beispiel durch die
Anbringung von Bodenplatten oder der Konstruktion der Treppenanlage suggeriert
wird. Die dadurch neuartige perspektivische Darstellungen seit Beginn des 16.
Jahrhunderts in Mitteleuropas und die erstmalige Auseinandersetzungen mit der
Zentralperspektive sind kennzeichnend für den Umbruch vom Mittelalter zur
Neuzeit.[17]
Jean Limburg und Paul Limburg: Les Belles Heures du Duc de Berry. Buchmalerei. 1400/1420. |
Im Gegensatz zu der in der mittelalterlichen Malerei genutzten
Bedeutungsperspektive bei der die Größe der dargestellten Personen je nach
Bedeutung auch variieren konnte, stand
bei Verwendung der Zentralperspektive die Räumlichkeit und Plastizität im Vordergrund.
Codex Manesse: Der König umgeben von Hofbeamten und Spielleuten. Buchmalerei. 1300-1340. |
So sollte
nun ein Erscheinungsbild der Realität erstellt werden, das der Wahrnehmung des menschlichen
Auges am nächsten kommt. Die bereits erwähnte Verwendung der Zentralperspektive
und der neuen grafischen Darstellungsweise sind exemplarisch für Dürers
Holzschnitte dieser Zeit. Beeinflusst wurde er sicherlich auch durch seine
Reisen nach Italien in den Jahren 1494/1495 sowie 1505-1507, in welchem die
Auseinandersetzung mit der Zentralperspektive bereits einige Jahrzehnte früher
erfolgte. Möglicherweise ließ sich Dürer auch durch ebendiese italische, vor
allem venezianische Malerei inspirieren. In Bezug auf das „Marienleben“
beziehungsweise „Die Verkündigung an Maria“, lassen sich starke Ähnlichkeiten
in der Anordnung und dem Erscheinungsbild der Figuren, als auch ihrer Attribute
feststellen, sowohl in der italischen, als auch der deutschen Kunst.[18] Um 1500
ereignete sich in Europa eine, in wenigen Jahrzenten vollzogene Umbruchsphase,
vom ausgehenden Mittelalter zur Neuzeit. Nach Jahrhunderten geringer
Veränderungen wurde diese Epoche durch zahlreiche Erfindungen und Entdeckungen
geprägt, wie beispielsweise der Erfindung des Buchdruckes oder der Entdeckung
Amerikas.
Leonardo da Vinci: Verkündigung an Maria. Öl und Tempera auf Holz 1473-1475. |
Es ereigneten sich kulturelle, technische und religiöse Umbrüche
beziehungsweise Neuanfänge wie Humanismus, Renaissance und Reformation. Vor
allem die kulturellen Leistungen zu dieser Zeit, auch im Hinblick auf Dürers
Schaffen, sind besonders durch die Überlegungen des Humanismus und der Renaissance
geprägt und Faktoren, die Schriftsteller, Maler, Bildhauer, Architekten und
Ingenieure beeinflussten.[19]
Besonders hervorzuheben sind neben den Erzeugnissen des kulturellen Bereiches
ebenso die des literarischen als auch die des religiösen, welche durch den
Bilder- und Buchdruck mit beweglichen Lettern, erstmals Massentauglich wurden
und in, für damalige Verhältnisse, großer Stückzahl produziert werden konnten (zu
Beispiel Dürers „Ehrenpforte“ mit 700 Stück oder den „Theuerdank“ im Jahre 1517
mit 300 Exemplaren).[20]
Wolgemut-Werkstatt: Mariae Verkündigung. Peringsdörfer-Altar. 1486. |
Auch ist
Dürers ökonomisches Interesse bekannt. In seinen Tagebucheinträgen seiner „Niederländischen
Reise“, sind genaue Angaben seiner jeweiligen Bildverkäufe festgehalten, dort
sind etwa die Menge, der Preis und der Empfänger aufgelistet. Diese im
Einzelnen aufzuführen, würde an dieser Stelle zu weit führen, doch lässt sich
feststellen, dass mit insgesamt 370 veräußerten Bilderfolgen Dürer, eine für
damalige Zeiten, stattliche Anzahl an Exemplaren verkaufte. Neben diesen
Veräußerungen mit rein buchhändlerischem Hintergrund, war Dürer jedoch auch für
selbstlosere Gesten bekannt, wie Buchschenkungen, beispielsweise die an den
Nürnberger Mathematiker Bernhard Walter im Jahre 1492.[21]
Ob er dies tatsächlich aus reiner Gutmütigkeit tat oder um soziales oder
symbolisches Kapital, im Sinne Bourdieus, anzuhäufen oder er hierbei durch
religiöse Vorstellungen geleitet war, ist sicherlich nicht genau zu rekonstruieren.
Auch wenn
nun die Möglichkeit bestand Drucke in höherer Stückzahl anzufertigen, wendete
sich der Adressatenkreis doch meist eher an gebildete Nutzer zum Beispiel all jene,
die die finanziellen Möglichkeiten besaßen Drucke zu erwerben.[22]
Die neue Weltanschauung, geprägt durch den Humanismus, welcher den Menschen nun
mehr als Individuum betrachtete, schuf neue Darstellungs- und
Betrachtungswiesen, bei denen sich Künstler und Schriftsteller bedienten und in
einem kleinen elitären Kreis ihre Abnehmer fanden.[23]
In Bezug auf Dürers Werke, wie etwa seinem „Marienleben“, war es darüber hinaus
von Nöten der Sprache der Bilder, Bildrhetorik und Ikonographie kundig zu sein,
ebenso wie der Sprache der Verse und natürlich des Lateinischen.[24]
Somit setzte sich dieser Käuferkreis vornehmlich aus reichen Kaufleuten,
Patriziern, Fürsten, Königen und gehobenen Klerikern zusammen, die nicht nur
intellektuell dazu befähigt waren die Werke zu verstehen, sondern ebenfalls die
finanziellen Mittel aufbringen konnten.[25]
Zu den größten und wichtigsten Zentren dieser Zeit gehörten Köln, Straßburg, Augsburg,
Basel, Wittenberg und Nürnberg.[26] Dürer, der
selbst in Nürnberg lebte und dort tätig war, dürfte von diesem Umstand
sicherlich profitiert haben. Mit Chelidonius hatte Dürer einen Autor an seiner
Seite, der die zeitgenössischen Erwartungen an moderne Vermittlung von
Glaubensinhalten in Kunstwerken erfüllen konnte, sowie mit Hieronymus Höltzel
einen Drucker samt Druckwerkstatt, über die es ihm gelang Buchpublikation
anfertigen zu lassen, um so aus der Rolle des reinen Künstlers herauszutreten
und als Verleger die neuen Vorstellungen der Humanisten zu vertreten, sie in
seinen Werken umzusetzen und durch diese zu verbreiten.[27]
Hilfreich zur Steigerung seines Sozialprestiges und Bekanntheitsgrades, war gewiss
auch seine Freundschaft zum renommierten Schriftsteller Conrad Celtis. Celtis
schrieb Lobgedichte auf seinen Freund Dürer, die diesen als besten Maler aller
Zeiten preisen, allerdings zu Lebzeiten beider nie gedruckt worden waren.[28]
Lobgedichte, wie dieses in der Übersetzung von Wuttke: „Dieser Dürer war in der
Proportionslehre und Malerei ebenso bewandert, wie Albertus Magnus in
Philosophie und Naturwissenschaften.“[29]
Somit besaß Dürer nicht nur die nötigen künstlerischen Fähigkeiten, sondern
auch ein hilfreiches Netzwerk aus angesehen Personen mit unterschiedlichstem
beruflichen Hintergrund.
Es lässt
sich feststellen, dass Albrecht Dürer mit seinen Holzschnitten zum Marienleben
bedeutende christliche Themen aufgreift, diese jedoch im Vergleich zu den
charakteristischen mittelalterlichen Buchillustrationen formal und inhaltlich
in neuer Weise präsentiert. Sicherlich inspiriert durch die Kunst der
italienischen Frührenaissance, widmet sich Dürer als einer der ersten Deutschen
der neuen grafischen Zeichen- und Malkriterien wie der Zentralperspektive und
Proportion, benutzt zudem wichtige formale Angaben wie Impressum und
Nachdruckverbot. Die inhaltlichen Neuerungen, geprägt durch den
gesellschaftlichen Umbruch um 1500 und den Einfluss humanistischer Gedanken,
lassen sich in Dürers „Marienleben“ in der Darstellung Marias und sowie des
Begleittextes, vor allem auf dem Holzschnitt „Maria auf der Mondsichel“, deutlich wiedererkennen. Durch die
Erfindung des Buchdruckes mit beweglichen Lettern, welcher um 1470 Einzug in
Dürers Heimatstadt Nürnberg erhielt, wurde das Buch als Verbreitungsmedium
massentauglicher. Mit dem heutigen Massenmedium ist es sicherlich nicht
gleichzusetzen, da wenn man einen Holzschnitt als Druckplatte verwendet, durch
den Verschleiß die Anzahl der Drucke beschränkt ist. Jedoch ist der Druck
gegenüber der mittelalterlichen Buchmalerei deutlich abzugrenzen was vor allem
die Vervielfältigung von Büchern betrifft und im Falle des „Marienlebens“ als
Andachtsliteratur, eben auch neue Möglichkeiten bot religiöse Schriften
einfacher zu verbreiten und an gebildete und finanzkräftige Kunden zu veräußern.
Neben den Aspekten der Vervielfältigung war für Dürer somit auch der daraus
resultierende ökonomische Nutzen ein wichtiger Faktor, was ihm ermöglichte die
Stellung des reinen Künstlers zu überschreiten und selbst als Verleger tätig zu
werden. Somit dürfte Dürer einen wichtigen Beitrag für die Einführung neuer
Zeichen- und Malkriterien in Deutschland der frühen Neuzeit, den Buchdruck als
Kunstgegenstand, als auch die Entwicklung des heutigen Buchhandels geleistet
haben.
Dieser Beitrag wurde verfasst
von Philippe H.
[1] Vgl. Scherbaum,
Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 101.[2] Vgl. Scherbaum,
Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 100 f.[3] Vgl. Scherbaum,
Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 106 f.[4] Vgl. Scherbaum,
Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 121.[5] Vgl. Scherbaum, Anna: Albrecht Dürers
Marienleben. 2004. S. 188.[6] Vgl. Scherbaum,
Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 184.[7] Vgl. Scherbaum,
Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 210 f.[8] Vgl. Scherbaum, Anna:
Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 211.[9] Vgl. Scherbaum,
Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 102 f.[10] Vgl. Eser,
Thomas: Heilige und Hasen. 2008. S. 38.[11] Vgl. Wiener,
Claudia: Andachtsliteratur als Künstlerbuch. 2005. S. 39.[12] Vgl. Scherbaum, Anna:
Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 119.[13] Vgl. Scherbaum,
Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 188.[14] Vgl. Scherbaum, Anna:
Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 132.[15] Vgl. Scherbaum, Anna:
Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 249.[16] Vgl. Scherbaum Anna:
Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 211.[17] Vgl. Scherbaum,
Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 108.[18] Vgl. Scherbaum, Anna: Albrecht Dürers
Marienleben. 2004. S. 111.[19] Vgl. Schmid,
Wolfgang: Dürer als Unternehmer. 2003. S. 1.] Vgl. Scherbaum,
Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 212.[21] Vgl. Eser,
Thomas: Heilige und Hasen. 2008. S. 36.[22] Vgl. Schmid,
Wolfgang: Dürer als Unternehmer. 2003. S. 127.[23] Vgl. Schmid,
Wolfgang: Dürer als Unternehmer. 2003. S. 2.[24] Vgl. Scherbaum,
Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 212.[25] Vgl. Schmid,
Wolfgang: Dürer als Unternehmer. 2003. S. 4.[26] Vgl. Schmid,
Wolfgang: Dürer als Unternehmer. 2003. S. 6.[27] Vgl. Scherbaum,
Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 221.[28] Vgl. Eser, Thomas:
Heilige und Hasen. 2008. S. 64.[29] Eser, Thomas: Heilige und Hasen.
2008. S. 63. Übersetzt nach Wuttke 1980/1996.
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