Im
Grunde handelt es sich um die Bildbeschreibung eines der Holzschnitte des „Marienlebens“ Albrecht Dürers (1471-1528), nämlich „Der Verkündigung an Maria“. Dieser
Holzschnitt beinhaltet viele wesentliche Neuerungen, die Dürer mit seinem Werk
befördert hat, und ist dergestalt eine Ergänzung zum Blogeintrag „Die BedeutungDürers und sein ,Marienleben‘“ vom 09.06.2015.
picti mundi
Albrecht Dürer: Marienleben. Die Verkündigung an Maria. |
Der
dargestellte Bildraum öffnet sich durch einen Rundbogen und gibt einen dahinter
liegenden lichtdurchfluteten, hallenarchitektonisch gestalteten Raum frei.
Hinter dem zentralperspektivisch gestalteten Durchblick ist der Raum, in dem
sich die Handlung zu vollziehen scheint, eingerichtet. Es lassen sich insgesamt
vier Rundbögen erkennen, ein großes Fenster im Hintergrund sowie ein kleines am
rechten Bildrand. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich ein erhöhter
Eingang, der über eine Treppe mit dem tieferliegenden Laufhorizont des Raumes
verbunden wird. Dieser wirkt hauptsächlich durch die zur Schaustellung der
Architektur und der perspektivischen berechnend durchdachten Anordnung der
Linien, als durch Mobiliar oder sonstige raumschmückende Elemente. Die wenigen
Gegenstände, die auf dem Holzschnitt erkennbar sind, die Treppe, der Baldachin
und Marias Betpult, dienen weniger der perspektivischen Darstellung der
Zeichnung als vielmehr einer im Bild untergebrachten christlichen Symbolik.
Das
Hauptgeschehen bilden die von Dürer zentral platzierten Personen Maria und der
der Erzengel Gabriel. Dieser hat den Vorhang zu Marias Betpult aufgezogen und
scheint eiligen Schrittes auf die Jungfrau zugeeilt zu kommen, um ihr die
Verkündigung zu überbringen, welche Maria mit frommer demütig wirkender Geste
entgegennimmt. Außerhalb des Raumes, im Hintergrund der Szenerie, befindet sich
Gott auf einer Wolke sitzend. Hier soll nun eine genauere Bildbeschreibung und
Analyse der christlichen Symboliken erfolgen. Zuerst steht das Hauptgeschehen
im Vordergrund, bevor anschließend die Gesamtbetrachtung der Illustration von
oben nach unten, fortgeführt werden wird. Wie bereits beschrieben nähert sich
der Erzengel Gabriel der Gottesmutter um seinen Auftrag auszuführen. Zur
Identifizierung seiner Person dient der zuständige Vers des Lukasevangelium
(Lk. 26-38), als auch seine Attribute. Diese sind seine Flügel sowie der Botenstab oder der Lilienstängel, welchen
er aufrecht in seiner linken Hand hält und der ihn als Götterbote preisgibt.
Ebenso der einer Krone oder einem Diadem ähnelnde Kopfschmuck, welchen er als
gesandter des Himmelreiches auf dem Haupt trägt.[1]
Seine göttliche Botschaft, verkündet der Erzengel Gabriel durch den in der
christlichen Religion ausgeübten üblichen Segnungsgestus, welchen er
mit seiner rechten Hand ausübt. Durch die Rolle als Botschafter Gottes wird er
hier zum sogenannten Deuteengel, lat. auch „angelus interpres.“[2]
Ihm gegenüber befindet sich Maria, die sich mit ihren Armen bekreuzigt und mit
dieser Geste als auch mimisch mit einem frommen Lächeln und nach unten
geneigtem Kopf, die Botschaft entgegennimmt. Über ihr schwebt der Heilige Geist
in Gestalt einer Taube, dessen heilige Erscheinung von Dürer durch ein
angedeutetes Leuchten oder Strahlen dargestellt wird. Vor ihr befindet sich das
Betpult mit Gebetbüchern, wovon eines aufgeschlagen daliegt und möglicherweise
als Bibel zu identifizieren ist. Diese Interpretation ist sinnig, da die
Verkündigung im Alten Testament durch den Propheten Jesaja mit den Worten, „darum wird
euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und
wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel, “[3]
(Jesaja 7, 14) angekündigt wird. Hinter Maria befindet sich der Betstuhl,
welcher von einem Baldachin abgetrennt ist. Dies, ein Hoheitssymbol aus der
antiken Kaiserikonographie, weist möglicherweise durch den geöffneten Spalt auf
die verheißende Erscheinung Gottes in der Welt hin.[4]
Zur Identifizierung Marias als unbefleckte jungfräuliche Empfängerin und
zukünftige Mutter des Gottessohnes, Jesus Christus, dient die im Vordergrund am
Sims des Rundbogens angebrachte Lilie. Diese ist ein typisches Attribut Marias
in der Bildenden Kunst und ein Symbol für ihre Reinheit und Frömmigkeit.
Im oberen
Bildbereich befinden sich die Rundbögen, welche mit großen Quaderblöcken
gestaltet sind. Aufgrund der Anzahl, dreizehn Blöcke, werden diese von
Dornik-Eger als Jesus und die zwölf Jünger interpretiert.[5]
Da sich aber keine weiteren Hinweise auf das Vorhandensein der Jünger in diesem
Bild finden lassen, ist eine genaue Aussage darüber, ob dies nun Zufall ist
oder von Dürer beabsichtigt wurde, schwierig zu treffen. Weitere
architektonische Bauelemente, die das mögliche Vorhandensein von Heiligkeit
implizieren, sind außerdem die drei, im Gebälk platzierten kreisrunden
Öffnungen, die auf die Trinität, die heilige Dreifaltigkeit, hinweisen.
Eindeutiger kann die unter dem Dachstuhl dargestellte heroische Gestalt der
Heiligen Judit mit Schwert und Kopf des Holofernes (Judit 1-16) benannt
werden. Diese Darstellung hat eine lange
Tradition und ist bis heute ein beliebtes Thema in der Malerei. (Beispiele;
Michelangelo, Caravaggio, Artemisia Gentileschi, Gustav Klimt; Abbildungen
9,10,11,12). Unterhalb der Heiligen Judit, außerhalb des Raumes, befindet sich
der Gottvater, sitzend auf einer Wolke, womöglich als Lenker der Geschicke. In
diesem äußeren Bereich befindet sich außerdem die Darstellung einer Landschaft
mit Bäumen und einem Gebäude. Um was für eine Art von Gebäude es sich handelt
ist nicht genau nachgewiesen, jedoch lassen die Bauweise sowie die
Entstehungszeit und die damit verbundene Italienreise Dürers, möglicherwiese
auf die gezeichnete Wiedergabe eines antiken Tempels schließen. Wieder
innerhalb des primären Betrachtungsraumes befinden sich zwei Ankerbalken, die
eine räumliche Abgrenzung schaffen. Vor allem der hintere Balken weist diese
Eigenschaft auf, da er sich durch seine Anordnung optisch genau zwischen Gott
und Maria befindet. Die Bedeutung dieser Darstellung ist nicht sicher geklärt,
lässt aber die Vermutung zu, dass es sich hierbei um die beabsichtige Teilung
der himmlischen Sphäre und der weltlichen handelt.[6]
Albrecht Dürer: Marienleben. Impressum und Nachdruckverbot. |
Links unterhalb auf einem Sims des Ankerbalkens befindet sich ein Kerzenständer
mit einer Kerze. In der christlichen Symbolik bringt dieser Licht und Leben und
verkörpert in Verbindung mit dem ewigen Licht die Anwesenheit Gottes.[7]
Albrecht Dürer: Mariens Verehrung. |
Dies ist ein von Dürer bewusst in verschiedenen Szenen des „Marienlebens“
eingesetztes Element. Zum einen wohl aus den profanen
Zwecken der Raumausschmückung, zum anderen aber sicherlich auch um das Wirken
heilig erscheinen zu lassen. Zwischen Kerzenständer und dem Treppengeländer
befindet sich ein Weihwasserspender oder auch Wasserkessel, welcher über einem
Waschbecken angebracht ist, und ebenfalls die Reinheit und Makellosigkeit
Marias symbolisiert, sowie die Geburt Jesu. Die sieben Stufen der bereits
erwähnten Treppe stellen möglicherweise die sieben Gaben des Heiligen Geistes
dar, fallen aber ebenfalls in die Kategorie der nicht genau identifizierbaren
Symbole, da auch hier keine eindeutigen Hinweise auf einen christlichen
Zusammenhang gegeben sind. Nach Strauss deuten die Treppenstufen auf den Pfad
zum Himmel hin. Unterhalb der Treppe befindet sich ein Wesen, von dem nur der Kopf
zu erkennen und das mit einer Kette an der Wand befestigt ist. Die
Interpretation, ob es sich um ein reales Tier oder ein Fabelwesen handelt, ist
aufgrund des begrenzten Ausschnittes nicht klar. So wird dieses in der Literatur
durchaus kontrovers betrachtet und mit den unterschiedlichsten Deutungsansätzen
versehen. So ist bei Heller die Rede von zwei Schweinen, Tietzes sieht in ihm
einen ägyptischen Kynekephalos, Timm identifiziert es als Dachs- oder
Wildschweinkopf und Fehl als einen Dachs mit den Stacheln eines
Stachelschweines.[8] Eisler liefert hier die
wohl plausibelste Interpretation, welcher in dem Wesen einen Fuchs vermutet.[9]
Bei Betrachtung der schriftlichen Quellen als auch anderer mittelalterlichen
Illustrationen ist dies auch eine nicht unwahrscheinliche Vermutung, da das
Wesen vermutlich die Darstellung eines Wesens ist, das zu Dürers Lebzeiten
sowohl Thema in der Kunst, in Religion und im Alltagsleben war. Ein Beispiel
hierfür ist der Wolf oder auch der bereits erwähnte Fuchs, welcher bereits in
früheren mittelalterlichen Illustrationen als ernstzunehmende Plage der Bauern
beschrieben wird. Im Stundenbuch der Charlotte von Savoyen, aus dem 15. Jahrhundert lassen sich zum Beispiel Darstellungen
finden, in denen der Fuchs als reales Übel und Gefahr für das Vieh geschildert
wird.
Albrecht Dürer: Der Fuchs und die Zeit drehen das Glücksrad. |
Die Darstellungen des Wolfs lassen sich in diesem Zusammenhang
ebenfalls finden, wie im Stundenbuch von Rouen. Darüber hinaus finden
sich in der Bibel ebenfalls einige Passagen, die den Wolf als das Böse in
Erscheinung treten lassen. Im Alten als auch im Neuen Testament lassen sich
eine Vielzahl von Erwähnungen finden, in denen der Wolf als Metapher für das
Böse verwendet wird. Das geläufigste Beispiel dürfte wohl der Vers „siehe, ich
sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe“[10]
(Mt. 10, 16) aus dem Matthäusevangelium sein. Die Identifizierung als
Fabelwesen mit regionalem Bezug, dessen sich Dürer bediente, ist schwierig
nachzuweisen, aber sicherlich möglich.
Natürlich
bleibt dieser Interpretation, wie auch alle anderen Vorschläge, nur ein
möglicher Erklärungsversuch. Zur Bedeutung des Wesens liefert Eisler den Vorschlag,
es stelle als Fuchs die Verkörperung des gebändigten Bösen dar. [11]
Betrachtet man sich darüber hinaus weitere Werke Dürers, so bestätigt sich
diese Vermutung. Der Fuchs ist bei Dürer eine immer wiederkehrende
Tierdarstellung so zum Beispiel in seinem Holzschnitt „Der Fuchs und die Zeit
drehen das Glücksrad“, in welchem die Ähnlichkeit des zum dargestellten Tier im
Holzschnitt der „Verkündigung an Maria“ nicht zu übersehen sind.
Besonders auffällig und übereinstimmend in Bezug auf die Bedeutung des Fuchses
ist die Illustration in Dürers Malerei „Maria
mit den vielen Tieren“, auf welcher der dargestellte Fuchs, am unteren rechten
Bildrand, ebenfalls angekettet ist und erstaunlich große Ähnlichkeiten mit der
Darstellung des Tieres in der Verkündigungsszenerie aufweist.
Albrecht Dürer: Maria mit den vielen Tieren. |
Auch
wenn mit den hier genannten Aspekten keine abschließende Klärung der Frage, um
was für ein Wesen es sich handelt und welche Bedeutung ihm zukommt erfolgen
kann, liefern die, auch wenn nur kurz ausgeführten unterschiedlichen
Betrachtungen, zumindest die Möglichkeit ein wenig Klarheit in diese Frage
bringen.
Dieser Beitrag wurde
verfasst von Philippe H.
[1] Vgl. Lucchesi
Palli, Elisabeth. Lexikon der christlichen Ikonografie. 1990. Bd. 2. S. 75.[2] Vgl. http://www.bibelwissenschaft.de/bibelkunde/themenkapitel-at/engel-im-at/[3] Die Bibel. 1999. S. 675.[4] Vgl. Scherbaum,
Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004. S. 147.[5] Vgl. Scherbaum, Anna: Albrecht
Dürers Marienleben. 2004. S. 148.[6] Vgl. Scherbaum,
Anna: Dürers Marienleben. 2004. S. 146.[7] Vgl. Brückner,
Wolfgang: Lexikon der christlichen Ikonografie. 1990. Bd. 2. S. 507.[8] Vgl. Scherbaum,
Anna: Dürers Marienleben. 2004. S. 148.[9] Vgl. Eisler,
Colin: Dürers Arche Noah. 1996. S. 123.[10] Die Bibel. 1999. S. 14.[11] Vgl. Eisler,
Colin: Dürers Arche Noah. 1996. S. 123.
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