Vormodernes Denken in Martin McDonaghs Film „Brügge sehen ... und sterben?“
Flapsig formuliert könnte man sagen, dass die Vormoderne vor
der Sattelzeit beginnt, also jedwede Vorstellungen umfasst, die aus Früher
Neuzeit und nicht mehr aus der fortgeschrittenen Aufklärung stammten. Folglich
wären vormoderne Denkformen lediglich Denkformen dieser Zeit.
Allerdings verkennt eine solch verknappte Definition, die die Vorstellungen der Menschen gewissermaßen nach dem Kalender abhängig von ihrer Jahreszahl teilt, dass viele der voraufklärerischen Weltansichten und Einstellungen einerseits auf eine lange Tradition zurückgehen, welche mitunter womöglich gar nicht mehr genau zu fassen ist, und andererseits manche von ihnen auch nach der Aufklärung noch immer, teils bis zum heutigen Tage, das Denken der Menschen bestimmt haben. Dementsprechend sind vormoderne Denkformen ebenfalls in aktuellen Überlegungen enthalten, auch wenn sie nicht als solche erkannt werden müssen oder aber vom kritischen Denken in den Bereich des Aberglaubens zurückgedrängt wurden. Dieser Blogeintrag wird sich mit jenen Spuren vormodernen Denkens beschäftigen, die sich in Martin McDonaghs „Brügge sehen … und sterben?“ finden lassen.
Allerdings verkennt eine solch verknappte Definition, die die Vorstellungen der Menschen gewissermaßen nach dem Kalender abhängig von ihrer Jahreszahl teilt, dass viele der voraufklärerischen Weltansichten und Einstellungen einerseits auf eine lange Tradition zurückgehen, welche mitunter womöglich gar nicht mehr genau zu fassen ist, und andererseits manche von ihnen auch nach der Aufklärung noch immer, teils bis zum heutigen Tage, das Denken der Menschen bestimmt haben. Dementsprechend sind vormoderne Denkformen ebenfalls in aktuellen Überlegungen enthalten, auch wenn sie nicht als solche erkannt werden müssen oder aber vom kritischen Denken in den Bereich des Aberglaubens zurückgedrängt wurden. Dieser Blogeintrag wird sich mit jenen Spuren vormodernen Denkens beschäftigen, die sich in Martin McDonaghs „Brügge sehen … und sterben?“ finden lassen.
Der Film erzählt die Geschichte von „[z]wei Killer[n] auf
Erholungsurlaub“[1],
wie der Werbetext auf der Rückseite der DVD dem Lesenden mit seinen ersten
Worten weiszumachen versucht. Dass Ray (Colin Farrell) seinen ersten Auftrag
dahingehend nicht souverän erfüllt hat, dass er anstatt dem Mord an Father
McHenry (Ciarán Hinds) nicht nur diesen, sondern gleichfalls auch einen kleinen
Jungen in einem katholischen Gotteshaus in London tötete und er mit seinem ihn
angeworbenem Partner Ken (Brendan Gleeson) auf Geheiß ihres Bosses Harry (Ralph
Fiennes) in Brügge untertauchen soll, davon wird erst im dritten Satz zu lesen
sein, auch wenn es gerade diese Beschreibung der Ereignisse ist,[2]mit der der Film einsetzt (0:00:59 - 0:01:27). Ken erhält nach längerem Warten von
Harry den Auftrag Ray für seinen Fehler zu töten, Ken jedoch widersetzt sich
dieser Anweisung und versucht Ray zur Flucht zu verhelfen, nachdem er ihn zuvor
von einem Selbstmord abgehalten hat. Daraufhin begibt sich Harry selbst nach
Brügge. Harry schießt auf Ray und tötet hierbei den kleinwüchsigen Schauspieler
Jimmy (Jordan Prentice). Da er ihn für ein
Kind hält, erschießt sich Harry sodann selbst. Zum Ende des Films ist nicht
gewiss ob der angeschossene Ray überleben wird. Darüber hinaus hat sich Ray im
Verlauf des Filmes einer Bewohnerin Brügges namens Chloë (Clémence Poésy)
angenähert und versucht der schwangeren Marie (Thekla Reuten), der Besitzerin
des Hotels, in dem er und Ken untergekommen sind, Geld für ihr noch nicht
geborenes Kind zu geben, ehe er sich das Leben nehmen wollte.
Im Folgenden soll sich über die verschiedenen Bildnisse, die
im Film während des Besuchs von Ken und Ray im Groeningemuseum abgefilmt
wurden, der Glaubensvorstellung des Jüngsten Gerichts genähert werden. Vom
Jüngsten Gericht ausgehend werden hierauf weitere biblisch begründete Vorstellungen
in „Brügge sehen … und sterben?“ betrachtet werden. Worauf sich dieser Beitrag
mit den verschiedenen Todesarten, die im Film gezeigt werden, beschäftigen
wird.
Die Abrechnung am Lebensende
Zwei Kinder an den Händen ihrer Eltern (0:22:29 - 0:22:43)
lassen Ray an die Ermordung von Father McHenrys und die unbeabsichtigte Tötung
des kleinen Jungens denken (0:22:44 - 0:24:19). „McDonagh shifts directly from
the image of the dead child and priest to the Groeninge Museum, where we see
three paintings“[3]. Diese
drei Bilder sind in der Reihenfolge ihrer Ablichtung: Jan Provoosts „Der
Geizhals und der Tod“, Gerard Davids „Das Urteil des Cambyses“ und das
Weltgerichtstriptychon „des Groeningemuesums in Brügge, das
mittlerweile als eine Arbeit der Werkstatt oder eines Malers im Umkreis Boschs
gilt“[4] und nicht mehr als Hieronymus
Boschs Arbeit.
All three images directly link judgement with violence. David’s painting gives us a prone figure who is being skinned alive; Provoost’s displays a ‚skeletal death come to collect his due‘ […]; and Bosch’s terrifing image shows dozens of people being dragged away to hell, some of them being eaten alive by demonic figures.[5]
Auf diese Weise sind die religiösen Zeichen, die in Martin
McDonaghs „Brügge sehen … und sterben?“ dem Publikum dargeboten werden, schon
über den filmischen Kontext determiniert. „Ray’s ‚confession‘ of the crime he
is about to commit initially appears callous, but in fact it reveals his
capacity of guilt – it shows, that is, that even if he has left Catholicism
behind, it ‚never really leaves you‘.“[6]
Was auch daran ersichtlich wird, dass ehe Ray Father McHenry tötet, er zeigt,
dass er da Sakrament der Beichte beherrscht.[7]
Maßgeblich für das wohl intendierte Verständnis der
christlichen Symbolik von „Brügge sehen … und sterben?“ sind das Jüngsten
Gericht und das damit verbundene Einfordern der zu begleichenden Schuld, die in
allen drei Gemälden als Motive vorherrschend sind, sowie die Visualisierung des
Weltgerichtstriptychons an Schlüsselstellen innerhalb der Handlung des Filmes.[8]
Und zwar im „Boschain nightmare“ (1:19:30 - 1:19:34), wie es auf Seite 75 in
McDonagh Drehbuch heißt,[9]
in den letzten Einstellungen des Filmes (1:33:11 - 1:36:30), dem ersten Treffen
Chloës (0:12:08 - 0:12:13) und dem Abbilden des Triptychons selbst, in
verschiedenen Detailaufnahmen (0:25:11 - 0:25:58).
Das Jüngste Gericht
„Bis ins Zeitalter des
wissenschaftlichen Fortschritts haben die Menschen bereitwillig an eine
Fortsetzung des Lebens nach dem Tode geglaubt. Dieser Glaube lässt sich bereits
bei den frühsten Grabopfern des Moustérien konstatieren“[10] und führte dazu, dass
dieses Element einen „allen alten Religionen und dem Christentum gemeinsamen
Fundus“[11] bildet.
Im Christentum wurde, auch wenn sich
die jeweiligen Vorstellungen im Verlauf der Zeit veränderten,[12] „die sehr alte
Vorstellung des Weiterlebens in einer traurigen und grauen Unterwelt und die
jüngere, weniger volkstümliche und strengere eines moralischen Gerichts
wiederaufgenommen.“[13] Die Darstellung des
Jüngsten Gerichts fehlte anfänglich in den christlichen Abbildungen, die das
Ende der Zeit thematisierten.[14] Vorerst war die Ikonografie
der Apokalypse aus der Offenbarung des Johannis vorherrschend, die sich jedoch im
12. Jahrhundert mit der zweiten Thronbesteigung Christi aus dem 25. Kapitel des
Matthäus-Evangeliums zu überlagern begann.[15] Dementsprechend
vermittelt die Paulusapokalypse mit der Vorstellung von Paradies und Höllen
gleicher Unterwelt, gemeinsam mit dem 25. Kapitel des Matthäus-Evangeliums und nicht
christlichen, allen voran ägyptischen überlieferten Glaubensvorstellungen, das
mittelalterliche Verständnis des Jüngsten Gericht und den jeweiligen
Möglichkeiten für die Gläubigen im Jenseits.[16] In der Bildgestaltung
setzten sich im 13. Jahrhundert die Visionen des Jüngsten Gerichtes durch,
während sich die der Apokalypse abschwächten.[17]
Unter den Vorzeichen des Jüngsten
Gerichts und dem dortigen Wägen jedes Augenblickes eines einzelnen Lebens[18], verlieren sich „[d]ie
Handlungen eines jeden Menschen […] nicht mehr im grenzenlosen Raum der
Transzendenz oder – wenn man so will – im kollektiven Geschick der Gattung.“[19] Vielmehr liegt jetzt auf
dem individuellen Lebenslauf, der rückblickend betrachtet wird, der Fokus des
Jüngsten Tages.[20]
Denn „[d]as Leben wird jetzt nicht mehr als Hauch (anima, spiritus), als
Vermögen (viritus) aufgefaßt. Es
setzt sich aus einer Summe von Gedanken, Handlungen und Worten zusammen“[21], die ebenda genau
bewertet wird. Dieser exakte Blick war deshalb so wichtig, da „[d]er
mittelalterliche Glaube […] nicht nur zwischen den Guten (boni) und den Bösen (mali)
[unterschied], sondern […] zudem noch die weniger Bösen (non valde mali) und die relativ Guten (non valde boni)“[22] differenzierte. Eine
Einteilung, die Ray Ken gegenüber ebenfalls zu Ausdruck bringt: „Purgatory.
Purgatory’s kind of like the inbetweeny one. ‚You weren't really shit, but you
weren‘t all that great, either.‘ Like Tottenham“[23] (0:25:49 - 0:26:00). Im
Gespräch zwischen Jimmy, Ken und Ray im Hotelzimmer des Schauspielers meint
Jimmy bezüglich seiner ganz persönlichen künftigen Kriegsvorstellungen,
Vorstellungen der gewissermaßen letzten Schlacht: „You don't decide this
shit, man. Your side’s allready picked for ya“[24]
(0:50:54 - 0:50:08). Seine rassistische Annahme ist
also „that our role in the forthcoming battle will be determined by our ethic
identity rather than by our will, our beliefs, our principles. Opting out is
certainly no a possibility. Race thus becomes a kind of ‚orginal sin‘,
something that dooms us to certain inevitabilities before we are even born.“[25]
Jimmys Einteilung der Welt in zwei Seiten, die von vornherein unausweichlich zu
sein scheinen, erinnert an die Gewissheit des Jüngsten Gerichts, welches mit
Bestimmtheit, jedoch ebenfalls unter anderen Parametern, eine Zweiteilung der
Menschen vornimmt. „[I]t’s Ken rather than Ray who rejects the idea that his
fate is predetermined“[26]
und durch Kens Argumentation, die ebendiese Annahme hinterfragt, entsteht in
dieser zweigeteilten Weltsicht die Möglichkeit einer dritten Option, die in
Jimmys Antwort „(pause) I think you need to weigh up all your options and allow
your conscience decide, Ken.“[27]
(0:51:33 - 0:51:42) enthalten ist. Es entsteht die Möglichkeit sich nach den eigenen
Wertvorstellungen zu entscheiden. Das Wägen der eigenen Ansichten und Einstellungen
weist wiederum auf ein noch zu fällendes Urteil hin und hierdurch indirekt auch
auf den Erzengel Michael, der die Seelen in Gerichtsverhandlung des letzten
Tages auf Erden wägen soll.[28]
Die Referenzen in Jimmys Aussagen auf das Jüngste Gericht werden dadurch
besonders offensichtlich, da sich Ken und Ray zuvor über ihren Besuch im
Groeningemuseum und den dortigen Bilder dem Themenkomplex des Jüngsten Gerichts
bereits gewidmet hatten.
Jan Provoost: Der Geizhals und der Tod |
Die ersten beiden Gemälde, die der Film zeigt
Der Ausschnitt, der von Jan Provoosts Werk „Der Geizhals und
der Tod“ im Film präsentiert wird (0:24:19 - 0:24:29; 0:24:59 - 0:25:03), zeigt
den mittleren Teil des Bildes, auf dem zwar der Zettel, der dem Tod gereicht
wird, sowie das Buch, auf welches sich der Geizhals beruft, zu sehen sind, die
Münzen auf dem Tisch allerdings nicht. Dieses Gemälde wird von Ken betrachtet
und dem Zuschauenden zuvor in einer Überblendung des Mordes von Father McHenry
und dem kleinen Jungen vorgeführt (0:24:15 - 0:24:25). Über das Papierstück in
der Hand des toten Kindes (0:23:24 - 0:24:19) und den Zettel in der Hand des Todes
in Provoosts Werk (0:24:19 - 0:24:27) wird auf der Bildebene des Filmes eine
nicht nur durch die Überblendung bestehende bildliche Verbindung vollzogen.
Über den Aspekt des Niederschreibens seiner vermeintlichen Sünden wird zum
einen das Leben des kleinen Jungen in „Brügge sehen … und sterben?“ und zum
anderen durch dieses auch auf das Buch in der Hand des Geizhalses in Provoosts
Bild Bezug genommen. In der Motivik des Christentums gewann das Buch deshalb so
an Bedeutung, da die Vorstellung auftauchte, „daß jeder Mensch eine persönliche
Biographie habe und daß sich auf diese bis zum letzten Augenblick einwirken
ließe. Die Entscheidung über die Qualität des Lebens fiel im Augenblick des
Todes.“[29]
Die Vorstellung einer persönlichen Biografie, die anfangs
lediglich aus den guten und bösen Taten des jeweiligen Individuums bestand, für
welche am Tag des Jüngsten Gerichts einzustehen war, verbreitete sich seit dem
12. Jahrhundert und ging vordergründig von den Mächtigen, Gebildeten und Reichen
aus.[30]
Dass das Motiv des Buches für die eigene Biografie und somit als ein Sinnbild
für das Aufrechnen von Gutem und Bösem verwandt wurde, lag maßgeblich daran,
dass das Buch in einer ähnlichen Funktion bereits in den biblischen Texten
beschrieben worden war.
Das Symbol des Buches ist aus der Heiligen Schrift seit langem vertraut. Man begegnet ihm bereits beim Propheten Daniel: „[…] Zur selbigen Zeit aber wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buche geschrieben stehen.“ […] Und noch im fünften Kapitel der Offenbarung Johannis liest man: „Und ich sah in der rechten Hand des, der auf dem Stuhl saß, ein Buch, beschrieben inwendig und auswendig, versiegelt mit sieben Siegeln.“[31]
Über das Motiv des Buches und in Provoosts „Der Geizhals und
der Tod“ ebenfalls über das Feilschen und genaue Bemessen wird eine weitere
alttestamentarische Moralvorstellung, die sich im Bibelzitat „Auge um Auge,
Zahn um Zahn“[32] am
greifbarsten fassen lässt, als moralische Instanz im Film erkennbar.[33]
Was sich zum einen darin zeigt, dass Ken Ray auffordert ein anderes Kind zu
retten (0:59:23 - 1:00:11), „Ray achieves something like redemtion by ‚saving
the next child‘ when he persuades Harry ot to risk Marie being shot in a
crossfire“[34],
und zum anderen Ray in Erwägung zieht sich selbst, im Sinne von „Harry’s ,eye
for an eye‘ solution“[35],
für den Tod des Kindes zu töten. Was in Rays Aussage Ken gegenüber (0:28:25 - 0:29:20)
deutlich wird:
But because of the choices I made, and the course that I put into action, a little boy isn't here any more. […] And that‘s all because of me. He is dead because of me. And I‘m trying to... I‘m trying to get my head round it, but i can‘t. I will always have killed that little boy. And that ain‘t ever gonna go away. Ever. Until, maybe, I go away.[36]
Auch besitzt Geld, jedenfalls für Ray, eine Beziehung zum
Verrechnen der eigenen Taten und fügt sich somit in die christliche Motivik des
Buches und von Harrys „Auge um Auge“-Einstellung ein. Denn einerseits ermordet
Ray Father McHenry für Geld und andererseits versucht er durch die Gabe von 200
Euro an Maries künftiges Kind seine Schuld am Tod des kleinen Jungen zu
mildern.
Gerard David: Das Urteil des Cambyses |
Während Ken Jan Provoosts „Der Geizhals und der Tod“
betrachtet, sieht sich Ray das Werk „Das Urteil des Cambyses“ von Gerard David
an. Der Umstand, dass Provoost Gerard als Maler für ein Bildnis des Jüngsten
Gerichts im Brügger Rathaus ablöste, nachdem dieser gestorben war,[37]
belegt wie vertraut und elementar diese Vorstellung des Christentums für beide
Maler gewesen war.
Von Gerard Davids „Das Urteil des Cambyses“, dass im
Unterschied zum eigentlichen literarischen Stoff, der in Herodotus „Historiae“
oder in Valerius Maximuss „Facti et dicti memorabilia“ geschildert wird, die Verhaftung des
Sisamnes auf der linken Bildtafel abbildet,[38]
wird in „Brügge sehen … und sterben?“ nur die rechte Seite des Bildnisses
gezeigt (0:24:03 - 0:24:44). David erzählt in seinem Werk insgesamt vier
Geschichten: „the bribing of Judge Sisammes in the backround oft he left panel;
the judge’s eventual arrest in the foreground […]; the grisly flaying of the
corrupt Sisammes, dominating the right scene; and the further reminder of the
events in the depiction of Sisammes’ son obliged to sit in judgement on a seat
covered with his father’s skin“[39].
Dass die linke der beiden Leinwände, welche die Bestechung, aber hauptsächlich
die Verhaftung des Sisamnes zeigt, in diesem Werk so gewichtig dargestellt ist
und hierbei von der literarischen Vorlage abweicht, obwohl David als „kein
entschiedener Neuer, vielmehr ein Wahrer der Überlieferung“[40]
galt, liegt vermutlich daran, dass sich David, „as Van der Velden points out,
[…] on a medieval tradtion featuring the story of Cambyses as an exemplum of
just judgement“[41] orientierte.
Dementsprechend ist „the meaning of the Justice of Cambyses […] consistent with
the general theme of the administration of fair and unbiased judgements“[42],
was durch den in „Brügge sehen … und sterben?“ dargebotenen Kontext abermals
den Aspekt des unverfälschten und gerechten Weltgerichts bekräftigt. Neben dem Rückgriff
auf das mittelalterliche Exempel,[43]
wird jedoch über die dem Publikum im Detail gezeigten Häutungsabbildungen eine
veränderte Narration der eigentlich vier Episoden umfassenden Geschichte vorgeführt,
die die gewaltsame Bestrafung in den Vordergrund rückt. Ray reagiert angesichts
der ihm vor Augen geführten Qual des Schuldigen Sisamnes auch mit jenem
Unbehagen ob der grausamen Strafe, die solcherlei Darstellungen beim sündigen Betrachter
verursachen sollten.[44]
Das Weltgerichtstriptychon im Groeningemuesum |
Das Weltgerichtstriptychon
Die Zuspitzung des Gerichtsthemas auf laster- und sündhafte Höllenszenerien ist paradigmatisch für den Maler Hieronymus Bosch. Welch maßgeblichen Einfluss er damit auf die ihm nachfolgenden Generationen ausübte, zeigt beispielshaft das Weltgerichtstriptychon in Brügge […], das von einem Werkstattmitarbeiter oder einem Maler im unmittelbaren Umkreis Boschs gefertigt wurde. […] Die Mitteltafel zeigt eine höllische Landschaft, in der die Menschen von Dämonen, Mischwese und riesigen Maschinen gequält werden: Ein gigantisches Messer trennt Gliedmaßen ab und ein Mühlstein zerquetscht hilflose Opfer. […] Die himmlische Szenerie der linken Tafel unterscheidet sich kaum von der infernalen, obwohl ein friedlicher Ausblick auf eine weite Landschaft mit Bäumen und Seen zu erkennen ist. […] Nur ganz klein im Hintergrund ist der Aufstieg einiger weniger Seelen in das himmlische Paradies auszumachen.[45]
Die auf die mittlere Tafel des Triptychons übergreifende
Höllenszenerie, wie sie auch bei Boschs Wiener Triptychon zu finden ist, verlagert
den eigentlichen dreigeteilten Fokus eines Triptychons mit der zentralen
Mitteltafel und betont hierdurch die höllischen Qualen der Sünder, was darüber
hinaus ebenfalls durch die Auswahl von nur wenigen Seelen für das Himmelsreich
verdeutlicht wird.[46]
Anhand dieser Abbildungen wurde „[d]em Betrachter […] das erschreckende
Bewusstsein vermittelt, eines Tages in dieser Weise bestraft zu werden“[47],
was ihn zum Überdenken seiner Taten und der rechtzeitigen Umkehr auf einen
bereuenden und büßenden Weg bringen sollte.[48] In „Brügge sehen …
und sterben?“ wird dieser Umstand außerdem dadurch bekräftigt, dass nur Detailabbildungen
der mittleren Tafel des Triptychons gezeigt werden.
Die „hybriden Geschöpfe [im Weltgerichtstriptychon] sind
eine extravagante Weiterentwicklung eines in der mittelalterlichen Kunst häufig
eingesetzten Motivs.“[49]
Dass solche dämonischen Kreaturen[50]
und infernalen Szenerien „mit all der technischen Meisterschaft“[51]
gemalt worden sind, „die Künstler normalerweise der illusionistischen Darstellung
der natürlichen Welt widme[te]n“[52],
führte über die Kirchenkunst dazu, „daß alle Menschen des
Mittelalters auf Erlösung hofften und der Tag des Jüngsten Gerichts von
niemandem bezweifelt wurde.“[53] Für Ken und Ray entfalten
jene drei Bilder, hauptsächlich aber das Triptychon des Weltgerichts dieselbe
Wirkung, da beide hierauf über „The Last Judgement and the afterlife and...
guilt and... sins and... Hell and... all that...?“[54] zu sprechen beginnen und
ihre jeweiligen Sichtweisen darlegen (0:25:11 - 0:29:24). „Eventually,
the two men acknowledge that they are really discussing what divine punishment
may await them for the murders they have committed“[55]
und gerade durch die Nahaufnahmen der unterschiedlichen Folterpraktiken, die in
Anlehnung an Boschs Weltgerichtstriptychon für die verschiedenen Todsünden
stehen,[56]
wird die sie erwartende Bestrafung beiden Protagonisten offensichtlich.
Aufgrund ihrer katholischen Erziehung erwartet Ray nicht nur
„the judgement of Harry - he is also awaiting the judgement of his God, haunted
as he is by the teachings from his Roman Catholic childhood. This is never
clearer than during the scene in which Ray and Ken visit the art museum.“[57]
Weitere biblisch begründete Vorstellungen
Neben den christlichen Vorstellungen, die sich im Film
direkt auf die drei im Groenigmuseum und von Ken und Ray jeweils intensiv
betrachteten Bilder beziehen, gibt es auch solche, die dies nur indirekt tun.
Das Fegefeuer
David Clare sieht in der Verwendung jener drei Gemälde aus
dem späten 15. und frühen 16. Jahrhundert mit ihrer Motivik des Jüngsten
Gerichts eine gezielte Inszenierung von Brügge als einem Ort, der für Ray dem
Fegefeuer gleichkommt. Clare meint deshalb in Bezug auf das
Weltgerichtstriptychon: „further viewings reveal the symbolism from the
painting to be a key component in McDonagh’s careful and deliberate plan to
suggest that Bruges in the film represents Purgatory.“[58]
Clare sieht in Rays mangelndem Amüsement in Brügge und seinem fehlenden
kulturellen Interesse[59],
seiner Abscheu an diesem Ort zu sein und seinem Schmerz angesichts der
Ermordung des Jungen, die Ray im Verlauf des Filmes immer wieder deutlich
vorgeführt wird,[60]
Brügge als Repräsentation des Fegefeuers für Ray.[61]
Auch in der Wortwahl, die zur Beschreibung von Brügge und seiner Eigenschaften
verwendet wird, „other-worldly“, „dream-like“ und „fairy-tale“, aber auch in
Rays wiederholter Bezeichnung der Stadt als „shithole“, seien diese
Verbindungen zum Totenreich zu finden.[62]
Diese Verbindung sei auch durch das unwirkliche
Erscheinungsbild Brügges in den ersten Einstellungen des Filmes präsent, in
denen religiöse Verzierungen, wie ein Wasserspeier und Heilige auszumachen sind
(0:00:21 - 0:00:51).[63]
So würde „[a]s in the theological Prugatory, Ray’s soul and perspective are
purified by his time spent in Bruges.“[64]
McDonagh bejahte in einem Interview die Interpretation des im Fegefeuer
Gefangenen für die Situation, die er in „Brügge sehen … und sterben?“
darzustellen versuchte,[65]
hierauf verweist jedenfalls David Clare.[66]
Diese Deutung Brügges ist im Zusammenhang mit der bereits erläuterten
christlichen Vorstellung des Jüngsten Gerichts als Ort für jene Seelen, die „als
non valde mali oder als non valde boni galten […] [und] eine
Aussicht auf himmlische Gnade“[67] hatten, die Ray mit
seiner Aussage „Purgatory’s kind of like the inbetweeny one. ‚You weren't
really shit, but you weren‘t all that great, either.‘“[68] gleichfalls teilt
(0:25:49 - 0:26:00), stringent. Denn das Fegefeuer wurde einerseits als
himmlischer Vorraum gedacht, den es zuerst zu durchschreiten galt, ehe man von
seinen Sünden gereinigt den Himmel betreten konnte.[69]
Andererseits gab es jedoch auch das Verständnis, welches keine Position der
Kirche war, dass das Fegefeuer eine Art „Zwischenperiode zwischen dem Tod und
der endgültigen Entscheidung [war], in der alles gerettet werden kann.“[70]
Beide Varianten haben jedoch gemein, dass sie einen Übergangsbereich bilden.
Dass Ray, der anscheinend noch zu
richten ist, sich die gesamte Zeit der Handlung in Brügge befindet, er die
Stadt nicht verlassen kann, als er es mit dem Zug versucht (1:00:55 - 1:06:58),
und er von einer ihm hierarchisch übergeordneten Person vor dem Beginn des
Films anscheinend aufgefordert wurde nach Brügge zu gehen,[71] unterstreicht den
Umstand, dass Brügge als Fegefeuerrepräsentation gesehen werden kann, was auch
im eigentlichen Titel des Films „In Bruges“ deutlicher anklingt, als beim
deutschen Titel. Auch der ungewisse Ausgang des Films lässt sich in dieser
Weise verstehen:
One of the most striking features of the film as a whole is its cliff-hanger ending – as the credits roll, we do not know Ray ultimately lives or dies. This is crucial to McDonagh’s Purgatory theme.[72]
Dass Brügge hier als Repräsentation des
Fegefeuers fungiert, heißt aber auch, dass das Urteil über Ray noch nicht
gefällt wurde. Der Film „Brügge sehen … und sterben?“ spielt allerdings auf ein
Urteil nach dem Ende des Filmes oder zumindest den Anfang von Rays individualisiertem
Jüngsten Gericht an.[73] Einerseits spricht das
Verlassen Brügges mit dem Filmende – jedenfalls für die Zuschauenden – und dem
abermaligen Einsetzten der Erzählerstimme von Ray dafür und andererseits findet
sich unter den am Ende auf ihn hinabblickenden Figuren (1:36:00 - 1:36:40) auch
Maire (1:36:14 - 1:36:22). „Marie […] is likewise staring down at Ray, and McDonagh
writes that she is looking down at Ray ,from somewhere almost heavenly … [with
her] gentle, angelic, smiling face‘“[74], was ein weiterer Hinweis
auf das Jüngste Gericht sein könnte. Denn mit Marie ist ein Verweis auf Maria
und ihre Funktion innerhalb des Jüngsten Gerichts gegeben,[75] wie sie auch im
Weltgerichtstriptychon von Hieronymus Bosch zu finden ist, während es auf dem
Weltgerichtstriptychon im Groeningemuseum Engel und die Jünger sind, die Jesus
in seiner Richterfunktion zur Seite stehen.[76] Durch die Inszenierung
des „Boschain nightmare“, der Figuren in Anlehnung an das
Weltgerichtstriptychon über die Dreharbeiten der Filmcrew in die Handlung des
Filmes integriert (1:33:11 - 1:36:30), wird der Beginn des Jüngsten Gerichts auf
der Bildebene gleichfalls impliziert.
Die Sünde
Ihrer Schuldigkeit beziehungsweise ihrer Sünden sind sich die
Figuren dieses Films durchaus bewusst, was sich unter anderem im Gespräch der
beiden Protagonisten nach ihrem Besuch im Groeningemuseum[77]
(0:25:00 - 0:29:24) oder im Fall von Harrys Selbsttötung
(1:33:55 - 1:35:44) zeigt. „Sünde ist [nach christlicher Lehre] zuerst als Tat,
eben als ,Fall‘ zu verstehen, als aktives Brechen mit dem göttlichen Anfang,
als aktives Heraustreten aus der göttlichen Ordnung, als Verlassen der
gottgegebenen Stellung.“[78] Weshalb nach christlicher
Lehre „[d]er Menschen Sünde […] immer ein Moment der Schwachheit, der
Ungeistigkeit, der Sinnlichkeit an sich“[79] hat. In „Brügge sehen …
und sterben?“ wird die eigene Handlungslosigkeit dem Tod gegenüber[80] in Ray Aussage „I
will always have killed that little boy. And that ain‘t ever gonna go away.
Ever“[81]
offensichtlich, die seine Ohnmachtserfahrung ausdrückt. Auch wenn „Sündhaftigkeit
[…] als der Normalfall menschlicher Existenz“[82] galt, blieb Sünde dennoch
die Abkehr von Gott und folglich erkennt Ray auch seine Schuldigkeit.
Im Gegensatz zum kleinen Jungen, der
auf ein Papierstück seine vermeintlichen Sünden geschrieben hat (0:23:55 -
0:24:03), „[a]s the filmscript tells us, ,it reads „1. Being moody. 2.
Being bad at maths. 3. Being sad“‘ […]. Of course, none of those faults can
reasonably be considered a ‚sin‘“[83],
sündigen Ray und andere Figuren, zumindest implizieren ihre Taten diese Deutung.
Ray ist gierig, denn er tötet für Geld, womit er gegen das
Gebot „Du sollst nicht töten“ verstößt, er stiehlt, die Drogen Chloës,
und frönt der Wollust, was auf Jimmys Hotelzimmer am deutlichsten wird. Ken und
Jimmy ihrerseits teilen mit Ray den Aspekt der Wollust und den Drogen bedingten
mutwilligen Kontrollverlust. Der Konsum von Drogen befördert im Sinne einer
christlichen Lehre gewissermaßen die Vorstellung, dass „[j]e mehr sich der
Mensch mit der Sünde einläßt, desto mehr […] er unter die Herrschaft – nicht
nur der Sünde, sondern auch dämonischer Mächte“[84] gerät. Dass die Drogen in
„Brügge sehen … und sterben?“ als eine Zuwendung zum Bösen verstehbar sein
könnten, wird zudem am Gefäß, in dem sie aufbewahrt werden (0:44:24
-0:44:48), fassbar, denn dieses Gefäß hat die Form eines
„Frosch[s] (einer Inkarnation des Teufels)“[85].
Zwar kennt das Christentum die Lust
seit dem Sündenfall,[86] speziell nachdem von
Seiten der Kirche „,die Ehe als Ausdruck der Schöpfungsordnung [bejaht worden
war] und […] [sie] sich entsprechend scharf gegen Ehebruch, Hurerei […]‘“[87] wendete. Etwas, dem Jimmy
nachgeht und Ray nicht abgeneigt zu sein scheint, was an seiner Aussage „See,
Ken, this is the sort of hotel Harry should’ve put us in. A five star, with
prostitutes in.“[88]
(0:49:20 - 0:49:26) ersichtlich wird.
Dass das getrocknete Blut von Jesus Christus in der Basilika
des Heiligen Blutes in gewissen Zeiten wieder flüssig werden soll, ist zum
einen ein Sinnbild für seine abermalige Wiederkunft und den damit verbundenen Beginn
der Apokalypse, zum anderen ist das Blut Jesu aber auch ein Symbol für das
Vergeben von Sünden und geht in seiner Tradition auf das Blut der Opfertiere
zurück.[89]
Denn die christliche Lehre hat „das Heil des Menschen
der Fleischwerdung und der Auferstehung Christi überantwortete. Deshalb ist im
paulinischen Christentum der Tod durch die Sünde in die Welt gekommen, und der
physische Tod ist Zugang zum ewigen Leben.“[90] Für David Clare wandelt
sich Ken in der Basilika des Heiligen Blutes zu einer Erlöserfigur, in dem er
sich entgegen Ray und dessen Ansichten dem Blut Jesu nähert, im Glauben an die
Bedeutung des Blutes Jesu und somit von seinen Sünden gereinigt wird.[91]
Die Erlöserfigur
David Clare verweist ferner darauf, dass Ken dadurch, dass
er mehrfach versucht Rays Leben zu retten, wofür er schließlich sein eigenes
Leben opfert, zu einer Jesus gleichen Figur wird.[92]
Jene Darstellungsweise ist für Clare gleichfalls in den
Gesprächen präsent, nicht nur in den Handlungen der Figuren, auch wenn Ken
durch das Beiseitelegen seiner Waffe seinen Willen nicht zu kämpfen
unterstreicht (1:17:25 - 1:17:50). „His profession to Harry that ,I love you
unreservedly‘ […] echoes the unconditional love of Jesus for his friends and
enemies.“[93] In
der Antwort Harrys, die Ken mit „Robert fucking Powell“ vergleicht, und der darauffolgenden
Erklärung Harrys, dass Robert Powell Jesus im Film „Jesus von Nazareth“
spielte, wird diese Annahme bestärkt (1:17:51 - 1:19:26).[94]
Eine weitere Parallele zur biblischen Passionsgeschichte lässt sich in Kens
letzten Minuten im Film finden (1:23:05 - 1:27:10).
He drags his dying, bloody body up several flights of steps – like Jesus on his way to the cross, Ken’s own personal Via Dolorosa. And, as Lloyd Baugh has observed, a representation of ,the suffering Jesus carrying his cross to Calvary‘ is ,almost always‘ included in films featuring Christ-figures[95].
Dementsprechend übermittelt die Narration von „Brügge sehen
… und sterben?“ Kens hierauf folgenden Sprung vom Aussichtsturm nicht als
Selbstmord sondern als glorifizierten Freitod und zwar durch die ihn abermals
zu einer Jesusfigur stilisierenden Opferung der eigenen Person für ein anderes
Leben. Die ausschlaggebende Textzeile in Patrick Kavanaghs „On Raglam Road“,
dem Lied, mit dem der Sprung Kens vom Aussichtsturm eingeleitet wird, „is the
description in the final verse of the angel who ,lose[s] his wings at the dawn
of the day‘[…]. This evokes the concept of Christ’s incarnation, in which Jesus
abandoned his home in heaven to be of service to humankind, even though it
meant great suffering and death.“[96]
Rays direkt aufeinander folgenden Ausrufen „Ken! Jesus!“ als er Kens auf dem
Boden aufgeschlagenen Körper sieht (1:25:54 - 1:26:10), sei „McDonagh’s way of
giving us anaother clue that Ken is a Christfigure in this scene.“[97]
Was bedeutet die jeweilige Art des Sterbens?
Bei den Todesfällen, die der Film zeigt, lassen sich mehrere
und hierbei unterschiedliche tradierte Deutungen der jeweiligen Todesart
feststellen.
Die Ermordung des kleinen Jungen
Über den Tod des kleinen Jungen werden zwei weitere Aspekte
angesprochen, dem ebenfalls vormoderne und aber auch modernere Denkformen
zugrunde liegen: Kindheit und der jähe Tod.
Kindheit an sich ist in ihrer im Film repräsentierten Form
eine eher neuere Konzeption,[98]
jedoch auch mit dem älteren Sicherheitsbedürfnis von „schutzlosen und
unschuldigen“[99]
Kindern verknüpft, was sich einst ebenfalls in der Argumentation von
Gerichtsurteilen, die sich mit Kindsmorden beschäftigten und seit dem Jahre
1532 ebenfalls in der Gesetzgebung der Carolina[100]
wiederfand, sich aber auch in Nottaufen, die die Seele des Neugeborenen
erretten sollte,[101]
zeigte.
Das Konzept des „vorzeitigen“ Todes, welches „das
Vorhandensein eines ‚rechtzeitigen‘ Todes, also eines Todes zur ,rechten‘ Zeit“[102]
impliziert und mit der jeweils als „normal“ und zeitgleich als gerecht empfundenen
Lebenserwartung zusammenhängt,[103]
hat sich mit dem medizinischen Fortschritt ebenfalls gewandelt.[104]
Diese veränderten Bedingungen führten dazu, dass es inzwischen als Norm
erachtet wird, dass Kinder die Möglichkeit haben „ein ,ganzes‘ Leben, das die
,normale‘ Lebenswartung voll ausschöpft“ [105],
zu leben. Vor allem deshalb, weil „[d]ie Vorstellungen,
die sich die Christen von Tod und Unsterblichkeit gemacht haben, […] im Lauf
der Zeit großen Veränderungen unterworfen“[106] waren, lassen sich in
der Tötung des kleinen Jungen im Film Denkmuster des mittelalterlichen Christentums
ausmachen, die aus dieser Sicht die Grausamkeit der im Film begangenen Morde
noch verstärkt.
Der Mensch im Mittelalter war von der
Furcht geprägt, dass ein plötzlicher Tod es ihm nicht mehr ermöglichte in Buße
zu sterben,[107]
da für gewöhnlich „selbst schwere Verletzungen, selbst gewaltsame Unfälle […]
im allgemeinen Zeit für den rituellen Todeskampf auf dem Sterbebett“[108] ließen und den Menschen
„von der Kirche eingeschärft [worden war], daß nicht alle von der Kirche
vorgeschriebenen und geforderten Abschiedsrituale eingehalten zu haben, als
Garant für ein jammervolles Dasein im Jenseits galt.“[109] Gott war es nach den
vermittelten christlichen Glaubensvorstellungen möglich in zweierlei Weisen zu
handeln. Zum einen konnte er „den unbußfertigen und der Welt zugewandten Sünder
mit dem Tod“ [110]
bestrafen, was ihm eine mögliche Rückkehr nahm oder zum anderen war es Gott
möglich „den Christen von seinem leidvollen Erdendasein [zu erlösen] und […]
ihm den Himmel, wenn er die von der Kirche geforderte Lebens- und Todeshaltung
befolgt hatte“[111], zu eröffnen. Daher
setzte der jähe Tod, der sich nicht angekündigt hatte, „die Ordnung der
Welt, an die jedermann glaubte, außer Kraft, [und galt als] absurdes Instrument
eines [sich] zuweilen als Zorn Gottes […] verkleidenden Zufalls“[112].
Das Einhalten der kirchlichen Abschiedsrituale[113] war deshalb so
gewichtig, da es „[n]icht der leibliche Tod war […], der den Menschen im
Mittelalter schreckte, furchtbar war die Aussicht auf den ewigen Tod. Der
Zustand der Verdammnis war das unabwendbare Schreckensbild für all diejenigen,
die im Zustand schwerer Sünden aus dem Leben schieden.“ [114] Der kleine Junge
scheidet demnach entweder unbußfertige aus dem Leben oder wird von Gott aus dem
Jammertal des Lebens erlöst, was auf bildlicher Ebene im Film durch die
Visualisierung des betenden Jungen, der sich gerade von seinen vermeintlichen
Sünden lossagen möchte, eingefangen wird (0:23:24 - 0:24:19). Der zufällige Tod
in einem geweihten Kirchenraum soll diese Empfindungen im Publikum noch
verstärken. Das Papierstück in der Hand des Jungen, auf dem seine
vermeintlichen Sünden zu lesen sind (0:23:55 - 0:24:03), verdeutlicht
die Absurdität und vor allem die einstigen potentiellen Möglichkeiten dieses
jungen Lebens noch einmal. Dementsprechend gelingt es die mittelalterliche
Angst eines plötzlichen Todes mit all jenen unabwendbaren Folgen für das
Nachleben in den Bildern des Filmes so einzusetzen, dass ebenjene Schwere und
Ausweglosigkeit dem Publikum ebenfalls in Bezug auf den Tod des kleinen Jungen
vermittelt wird. Was vor allem daran ersichtlich ist, dass es aus dem scheinbar
sicheren Schoß der Kirche, einem Ort dem über das Kirchenasyl insbesondere in
früherer Zeit große Sicherheit zukommt,[115]
unvermittelt herausgerissen wird.
Was hier über den plötzlichen Tod des
kleinen Jungen gesagt wurde, hat auch in Bezug auf die Figuren Jimmy und Father
McHenry seine Gültigkeit, jedenfalls aus der Sichtweise eines mittelalterlichen
Gläubigen. Jimmys gleichfalls zufälliger Tod entspräche wohl, mit seinem im
Film sündhaft dargestellten Verhalten, einem „unbußfertigen und der Welt zugewandten
Sünder“ [116],
dem Gott durch sein Ableben eine mögliche Umkehr nimmt.
Das eventuelle Sterben Rays
Die letzten Einstellungen des Filmes,
die den Krankentransport des angeschossenen Rays abbilden, nehmen das Element
des „rituellen Todeskampf auf dem Sterbebett“[117] wiederum auf.
Mit der im 14. und 15.
Jahrhundert aufkommenden Trennung von Auferstehung und Gericht verschwand „[d]as
deutlich empfundene Intervall zwischen Gericht (als endgültigem Lebensabschluß)
und physischem Tod“[118]
und hierdurch wurde „das Schicksal der unsterblichen Seele im Augenblick des
physischen Todes selbst entschieden.“[119]
Was zur Folge hatte, dass der Zeitpunkt des Todes zum
Zeitpunkt des persönlichen Jüngsten Gerichts geworden war.[120]
Dieser Umstand führte zu einem Wandel der Bildgestaltung, die „zum archaischen
Urbild des krank auf dem Sterbebette Ruhenden zurück[kehrte], das die Szenen
des Jüngsten Gerichts überlagert hatten“[121]. Von da ab, bekräftigte „[d]er
Christ […] auf seinem Grabstein zwar gelegentlich noch die Hoffnung, daß er
eines Tages auferstehen werde; daß dieser Tag aber der der Wiederkunft oder des
Weltendes sein würde, bekümmert ihn nicht mehr.“[122]
Rays Todeskampf auf der Trage, verbildlicht durch das hin- und herbewegen
seines Kopfes (1:36:00 - 1:36:45), und seiner zweimaligen Bitte vermittelt durch
seine Offstimme „I really really hoped I wouldn’t die.“ (1:36:51 - 1:37:01), wie
auch seiner vorherige Befürchtung, dass es das schlimmste wäre die Ewigkeit in
Brügge - dem Fegefeuer - zu verbringen,[123]
nimmt diese Vorstellung auf.
Die übrigen Tode im Film
Die beiden anderen Todesfälle, die „Brügge sehen … und
sterben?“ enthält, sind der Freitod Kens (1:23:05 - 1:27:10) und die Selbsttötung
Harrys (1:33:55 - 1:35:44).
Harry, who is sentimental about children and childhood, […] is now covinced that he has, like Ray, killed a child accidentally. Earlier in the film, when Ken had protested that Harry didn’t have to kill Ray because the guilt-ridden young man was suicidal and ,kept going on about Hell and Purgatory,‘ Harry was unmoved, saying, ,If I’d killed a little kid, accidentally or otherwise, I wouldn’t’ve thought twice, I’d’ve killed myself on the fucking spot! On the fucking spot! I’d’ve stuck the gun in my mouth on the fucking spot!‘ […] Now standing in the middle of the film set, thinking that he too has killed a child, Harry, keeping his word with the inflexible a ,honour‘ of the Stage Englishman, draws himself up, says ,you’ve got to stick to your priniples‘ […] sticks his gun in his mouth, and before Ray can explain that Jimmy is not a child, commits suicide.[124]
Harrys Handeln wird noch durch seine vorherige Aussage,
„‚He’s suicidal.‘ I’m suicidal! You’re suicidal! Everybody’s fucking suicidal!“[125]
(1:10:57 - 1:11:02) unterstrichen, und verdeutlicht, dass seine Selbsttötung
als Akt seines Gewissens seiner eigenen Moral folgt.
Nach dem kirchlichen Verbot aus dem sechsten Jahrhundert
nach Christus, welches sich auf das sechste Gebot „Du sollst nicht töten“
bezog,[126] wurde
nach und nach „der Selbstmord zur tödlichsten aller christlichen Sünden“[127]
stilisiert. Denn das Individuum sollte nicht einen Akt vollziehen, der im
Verständnis des Christentums dem „Gesetz einer kosmischen Souveränität [unterlag],
die den Tod zur gegebenen Zeit selbst gibt und diese Gabe für sich allein
vorbehält“[128].
Derart war es „gerade jener Tod, der der Verzweiflung folgt, der unter das
Verdikt des (christlichen) Gesetzes fällt, weil er sowohl die Kraft der Kirche
als auch des Gottes zur Vergebung seiner Sünden zu schmälern scheint.“[129]
Harry tötet sich in einer solchen Situation, da er nach seinen
Wertevorstellungen nicht weiß, wie er mit der Ermordung eines Kindes
weiterleben kann. Hier zeigt sich die christliche „Ächtung der Kindstötung und
der Abtreibung […] [, die] auf einer Ehrfurcht vor dem Leben“[130]
beruht, aber gleichfalls eine Ächtung dem selbst herbeigeführten Tod gegenüber einbeziehen
würde.[131] Harrys
Selbsttötung, die nach seinem „Auge um Auge“-Verständnis moralisch richtig ist,
wird hierdurch im religiösen Verständnis jedoch verwerflich.
Dadurch, dass Kens Tod filmisch über die Parallelisierung
mit der Opferung Jesu vor allem mit dem Leid der Kreuzigung nicht als
Selbstmörder, sondern gewissermaßen als eine Art Märtyrer inszeniert wird,[132]
rekurriert „Brügge sehen … und sterben?“ auf eine der Grundlagen des
Christentums, belegt aber zugleich auch den Zwiespalt zwischen Märtyrertum und
untersagtem Selbstmord,[133]
der am deutlichsten im Kontrast der Tode von Ken und Harry wird.
Fazit
Dieser Blogeintrag hat gezeigt, dass die Vorstellung des Jüngsten
Gerichts, auf welche der Film vermittels der Gemälde im Groeningemuseum gezielt
anspielt, nicht die einzige Form vormodernen Denkens innerhalb von „Brügge
sehen … und sterben?“ ist. Mit der Motivik des Jüngsten Gerichts ist denn noch
der Glaube an Sünde, Bestrafung, einem Leben nach dem Tod und dem Aufenthalt im
Fegefeuer verbunden. Ferner lassen sich innerhalb dieses Themenkomplexes noch weitere
religiös beeinflusste Vorstellungen finden, wie etwa die christliche
Erlöserfigur oder aber vormoderne Auffassungen darüber, dass die Art des
jeweiligen Todes eine bestimmte Bedeutung für die Existenz im Jenseits hat.
From the opening of the film to the very last frame before the credits, McDonagh makes a sustained and meticulous effort to link Bruges to Purgatory, in order to ask probing questions about the spiritual condition of humankind, including our beliefs about morality, guilt, and the afterlife.[134]
Es sind diese Verweise mit denen die Zuschauenden über ihre
Kenntnisse der christlichen Lehre die Konflikte der hier dargestellten Figuren
begreifen können. Durch das Verhandeln jener vormodernen Glaubensvorstellungen
innerhalb des Filmes wird das Publikum dazu gezwungen, sich für sich selbst über
„Brügge sehen … und sterben?“ hinaus mit diesen Denkformen auseinanderzusetzen.
Wodurch der Film, der nur über dieses vormoderne Denken verstehbar wird,
gleichzeitig auch die Gültigkeit dieser Denkformen hinterfragt.
Primärquellen
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[1] Martin McDonagh: Brügge
sehen … und sterben?, Rückseite der DVD-Hülle.
[2] Vgl. Ebd.
[3] Patrick Lonergan: The
theatre and films of Martin McDonagh, S. 151.
[4] Elonora Cagol: Das Jüngste
Gericht, S. 114.
[5] Lonergan: The theatre and
films of Martin McDonagh, S. 151.
[6] Lonergan: The theatre and
films of Martin McDonagh, S. 150.
[7] Vgl. Ebd.
[8]
Vgl. David Clare: A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ
in Martin McDonaght’s In Bruges. S.
47.
[9] Vgl. Clare: A Belgian Town
as Purgatory, S. 53.
[10] Philippe Ariès:
Geschichte des Todes, S. 123.
[11] Ebd.
[12] Ariès: Geschichte des
Todes, S. 124.
[13] Ariès: Geschichte des
Todes, S. 123.
[14] Vgl. Ariès: Geschichte
des Todes, S. 125.
[15] Vgl. Ariès: Geschichte
des Todes, S. 128 f.
[16] Vgl. Ariès: Geschichte
des Todes, S. 124 f.
[17] Vgl. Ariès: Geschichte
des Todes, S. 129.
[18] Vgl. Ariès: Geschichte
des Todes, S. 132.
[19] Ariès: Geschichte des
Todes, S. 133.
[20] Vgl. Ariès: Geschichte
des Todes, S. 136.
[21] Ariès: Geschichte des
Todes, S. 133.
[22] Cagol: Das Jüngste
Gericht, S. 115.
[23] Martin McDonagh: IN
BRUGES, S. 20
[24] McDonagh: IN BRUGES, S.
50.
[25] Lonergan: The theatre and
films of Martin McDonagh, S. 153.
[26] Ebd.
[27] McDonagh: IN BRUGES, S.
51.
[28] Vgl. Ariès: Geschichte
des Todes, S. 130.
[29] Marianne Mischke: Der
Umgang mit dem Tod. Vom Wandel in der abendländischen Geschichte, S. 55.
[30] Vgl. Ariès: Geschichte
des Todes, S. 179.
[31] Ariès: Geschichte des
Todes, S. 132 f.
[32]
Vgl. 2.Mo 21,23–25, 3.Mo 24,19–20 und 5.Mo 19,21. In: Evangelische Kirche in
Deutschland und Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR: Die Bibel. Nach der
Übersetzung von Martin Luthers, Altes Testament S. 82, 134 und 207.
[33] Vgl. Lonergan: The
theatre and films of Martin McDonagh, S. 149.
[34]
Ebd.
[35] A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 57.
[36] McDonagh: IN BRUGES, S.
21 f.
[37]
Vgl. Max J. Friedländer: Die altenniederländische Malerei. Band 9. Joos van
Cleve - Jan Provost - Joachim Patenier, S. 75 f.
[38] Vgl. Maryan W. Ainsworth:
Gerard David. Purity of Vision in an Age of Transition, S. 61.
[39] Ainsworth: Gerard
David, S. 61.
[40] Max J. Friedländer: Von
Eyck bis Breugel. Studien zur Geschichte der Niederländischen Malerei, S. 68.
[41] Ainsworth: Gerard
David, S. 61.
[42] Ainsworth: Gerard David,
S. 72.
[43]
„A more likely interpretaiton recognaizes the Justice of Cambyses as part of a medieval tradition of exempla,
depicting secular and religios judgement sceens that hung in the same town hall
chambers togethert.“ In: Ainsworth: Gerard David, S. 62.
[44]
Vgl. Cagol: Das Jüngste Gericht, S. 114 und Virgina Pitts Rembert: Bosch.
Hieronymus Bosch und die Lissabonner Verführung: Eine Perspektive aus dem
dritten Jahrtausend, S. 148.
[45] Cagol: Das Jüngste
Gericht, S. 121.
[46] Vgl. Cagol: Das Jüngste
Gericht, S. 121.
[47] Rembert: Bosch, S. 148.
[48] Vgl. Cagol: Das Jüngste
Gericht, S. 114.
[49] Rembert: Bosch, S. 117.
[50]
„Die Scholastik des 13. Jahrhunderts war maßgeblich für die Akzentuierung und
die Systematisierung der Dämonologie verantwortlich. Thomas von Aquin bestand
auf der Existenz eines Reichs der Dämonen unter der Herrschaft des Teufels, die
den Menschen mit Gottes Erlaubnis jederzeit attackieren konnten. Beim Tod des
Menschen stritten Satan und seine Dämonen mit den Engeln um die Seelen der
Verstorbenen und konnten, wenn sie erfolgreich waren am Menschen furchtbare
Rache für die in seinem Leben begangenen Sünden nehmen. Für die Analphabeten,
die die schwierigen theologischen Texte nicht lesen konnten, wurden Aussehen
und Praktiken der Teufel ebenso wie Gott und seine Helfer in Skulpturen an
Kirchenwänden und Bildern in den Fenstern und in Manuskripten abgebildet.“ In:
Rembert: Bosch, S. 148.
[51] Rembert: Bosch, S. 117.
[52] Ebd.
[53] Mischke: Der Umgang mit
dem Tod, S. 39.
[54] McDonagh: IN BRUGES, S.
20
[55] A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 49.
[56]
„Viele dieser schrecklichen Folterszenen [in Boschs „Weltgerichtstriptychon“]
lassen sich aufgrund eines Vergleichs mit der Tischplatte in Madrid [„Die
Sieben Todsünden“ von Hieronymus Bosch] als eine Darstellung der Todsünden
identifizieren. So kriecht über das Laken eines Betts ein furchterregendes
Reptil – ein Motiv, das für die Wollust steht (luxuria). Eine Frauengestalt wird aufgrund ihres Hochmuts am
Geschlecht gebissen (superia). Ebenso
wird ein Maßloser von Dämonen gezwungen, eine Flüssigkeit zu trinken, die nicht
aus einem Fass, sondern aus dem Hintern einer darüber hockenden Gestalt kommt (gula). Daneben werden Geizige in Pfannen
oder am Spieß gebraten (avaritia).“
In: Cagol: Das Jüngste Gericht, S. 120. Denn „[d]ie irdische Völlerei setzte
sich […] als Höllenstrafe fort. Eine weitere Tortur besteht darin, gefressen zu
werden.“ In: Gerd Unverfehrt: Wein statt Wasser. Essen und Trinken bei Jheronimus Bosch. S. 78.
[57] A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 49.
[58] A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 47.
[59] Vgl. Lonergan: The
theatre and films of Martin McDonagh, S. 145 f.
[60]
Kens Hinweis auf Rays Bemerkung, dass er nicht in Brügge bleiben will (0:02:48
- 0:03:22), jene zwei Kinder an den Händen ihrer Eltern (0:22:29 - 0:22:43),
dem Schülerlotsen (0:27:50 - 0:29:20), der Spielplatz, an dem sich Ray das
Leben nehmen möchte (0:55:55 - 0:57:10) und Jimmy in seiner Schuluniform
(1:34:12 - 1:34:20).
[61] Vgl. A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 47.
[62] Vgl. A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 48.
[63] Vgl. Ebd.
[64] A Belgian Town as Purgatory
and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 47.
[65]
„Capone: […] The characters in the film reminded me of the people in the Bosch
painting, trapped in purgatory. MM: That’s what I was trying to do, the film
within the film is kind of like some kind of European art film about Bosch, but
with guns.“ In: Capone: Capone questions Martin McDonagh about the film he
directed IN BRUGES!!!
[66] A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 57.
[67] Cagol: Das Jüngste
Gericht, S. 115.
[68] McDonagh: IN BRUGES, S.
20
[69] Vgl. Ariès: Geschichte
des Todes, S. 588.
[70] Ebd.
[71]
Von der Offstimme von Ray, die ausschließlich am Anfang und am Ende des Films
zu hören ist und dementsprechend auch noch einmal einen Rahmen für seinen
Aufenthalt in Brügge bilden kann, heißt es: „After I’d killed him, I dropped
the gun in the Thames, washed the residue off my hands in the bathroom of a
Burger King, and walked home to await instructions. Shortly thereafter, the
instructions came through. ,Get the fuck out of London you dumb fucks. Get to
Bruges.‘ I didn’t even know where Bruges fucking was. […] It’s in Belgium“
(0:00:59 - 0:01:27) In: McDonagh: IN BRUGES, S. 2.
[72] A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 56.
[73]
In Bezug auf Jimmys Tötung durch Harry und die kurze Szene für Ray zuvor, in
der er Jimmy in der Schuluniform am Set des Drehs sieht, meint David Clare:
„The now hallucinating Ray thinks at first that Jimmy is the boy that he killed
in the church back in London and is once again in the horrors, his Judgment Day
having arrived at last.“ In: A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster
as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges.
S. 53.
[74] A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 54.
[75]
In den Darstellungen des Weltgerichts greifen auch „Fürsprecher […] ein und
spielen eine Rolle, die der Text des Matthäus-Evangeliums nicht vorgesehen
hatte, die Doppelrolle des Advokaten (patronus)
und des Bittstellers (advocare Deum),
die an die Barmherzigkeit appellieren, d. h. an die Gnade des souveränen
Richters. Wie aber der Richter der ist, der den Schuldigen begnadigt, so ist er
doch auch der, der ihn verdammt, und einigen seiner Vertrauten obliegt es, ihn
zur Milde zu stimmen. Hier fällt diese Rolle seiner Mutter und seinem Jünger
zu, die ihm zu Füßen seines Kreuzes Beistand geleistet haben – der Heiligen
Jungfrau und dem Evangelisten Johannes. Am Portal von Autun sieht man sie zunächst
noch ganz unauffällig in Erscheinung treten […]. Im 13. Jahrhundert sind sie
dann zu Hauptfiguren der Handlung geworden, und ihre Bedeutung kommt der des
seelenwägenden Erzengels gleich. Sie liegen auf den Knien und flehen mit
gefalteten Händen den richtenden Christus an.“ In: Ariès: Geschichte des Todes,
S. 131.
[76] Vgl. Ariès: Geschichte
des Todes, S. 129-131.
[77] Vgl. A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 49.
[78] Emil Brunner, Die christliche Lehre von Schöpfung und
Erlösung. Dogmatik Band II. S. 121.
[79] Brunner, Die christliche Lehre von Schöpfung und Erlösung. S.
120.
[80] Vgl. Anja Bednarz: Den
Tod überleben. Deuten und handeln im Hinblick auf Sterben eines Anderen, S. 141
f.
[81] McDonagh: IN BRUGES, S.
21 f.
[82]
Marina Münkler. Sündhaftigkeit als Generator von Individualität. Zu den
Transformationen legendarischen Erzählens in der Historia von D. Johann Fausten
und den Faustbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts. S. 25.
[83] Lonergan: The theatre and
films of Martin McDonagh, S. 150 f.
[84] Brunner, Die christliche Lehre von Schöpfung und Erlösung. S.
121.
[85] Rembert: Bosch, S. 232.
[86]
Vgl. Ralph Tanner, Sex, Sünde, Seelenheil. Die Figur des Pfaffen in der
Märenliteratur und ihr historischer Hintergrund (1200-1600). S. 196.
[87]
Ebd.
[88] McDonagh: IN BRUGES, S.
50.
[89]
„Opfer werden in der Bibel von Anfang an (1. Mose 4,3) und bei allen Völkern
vorausgesetzt; sie sind stets mit Gebet, mit Anrufen des Gottesnamens verbunden
(1. Mose 12,8). […] [D]as Sündopfer
und Schuldopfer, bei dem die sühnende Kraft in dem Blut des Tieres als dem Sitz
des Lebens gesucht wurde,“ In: Bibel, Anhang S. 29. bildet über den Bund, den
das Blut der Opfertiere zwischen Gott und seinen Gläubigen schuf, die Grundlage
auf der Jesus seinen Tod als einen neuen Bund deutet. Vgl. In: Bibel, Anhang S.
9. Folglich ist in Mt 26,28 zu lesen: Jesus „nahm den Kelch und dankte, gab
ihnen den und sprach: ,Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das
vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“ In: Bibel, Neues Testament
S. 38.
[90] Ariès: Geschichte des
Todes, S. 123.
[91] Vgl. A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 50.
[92] Vgl. A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 51.
[93] Ebd.
[94] Vgl. A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 51.
[95] A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 52.
[96] Ebd.
[97] A Belgian Town as
Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 53.
[98]
„Kindheit war früher etwas anderes als heute. Bis zum Beginn des 19.
Jahrhunderts gab es keine strikte Trennung zwischen Kinder- und
Erwachsenenwelt. Nach Verlassen des Kleinkindalters, in dem das Kind von der
Betreuung anderer vollkommen abhängig ist, wuchs es vom dritten Lebensjahr
allmählich in die Welt der Erwachsenen hinein. In den gemeinsamem Wohn- und
Arbeitsräumen der Familie nahm das Kind am Alltag der anderen teil und erlernte
durch tägliche Anschauung und frühe Mithilfe nach und nach alle wichtigen
Arbeitsabläufe. Ob in der Landwirtschaft, im Handwerk oder im städtischen
Bürgertum – diese tägliche Erfahrungen galten mehr als das schulische Lernen.
Kinder wurden als kleine, noch unfertige Erwachsene angesehen. Sobald die
Kinder laufen oder sprechen konnten, trugen sie die Kleidung der Erwachsenen
und waren in deren Alltag und Feste integriert. Erst im Verlauf des 19.
Jahrhunderts vollzog sich allmählich ein Wandel in der Einstellung zum Kind.
Die Entdeckung von ,Kindheit‘ als eigenständige Lebensphase zwischen dem
Kleinkindalter und dem Erwachsensein blieb jedoch bis zur Jahrhundertwende noch
ganz auf das Bürgertum beschränkt.“ In: Landschaftsverband Rheinland, Red.:
Michael Faber: Kindheit – Spielzeit? Führer durch die Ausstellung mit den
Sammlungen H. G. Klein, Maria Junghanns, S. 22.
[99]
Eva Labouvie: Kindsmord in der Frühen Neuzeit. Spurensuche zwischen Gewalt,
verlorener Ehre und der Ökonomie des weiblichen Körpers, S. 10.
[100]
Vgl. Labouvie: Kindsmord in der Frühen Neuzeit, S. 10.
[101]
Vgl. Ingeborg Weber-Kellermann: Die helle und die dunkle Schwelle. Wie Kinder
Geburt und Leben erleben, S. 22-24.
[102]
Bednarz: Den Tod überleben, S. 77.
[103]
Vgl. Bednarz: Den Tod überleben, S. 78.
[104]
„Aber nicht nur das erste Säuglingsjahr brachte so viele Gefahren, auch in den
folgenden 3–4 Jahren schien für die Kleinkinder das Sterben wahrscheinlicher
als das Überleben. Zu den […] äußeren Gründen der mangelnden medizinischen
Versorgung und Hygiene gesellte sich eine gewisse […] Gleichgültigkeit
gegenüber den Kindern, die noch nicht so recht als menschliche Wesen angesehen
wurden. […] Dem verstorbenen Kind – so meinte man – würde bald ein neues
folgen, dessen bloße Ersatzfunktion häufig sogar darin Ausdruck fand, daß es
den gleichen Namen wie das tote Geschwisterchen erhielt.“ In: Weber-Kellermann:
Die helle und die dunkle Schwelle, S. 18.
[105]
Bednarz: Den Tod überleben, S. 78.
[106]
Ariès: Geschichte des Todes, S. 124.
[107]
Vgl. Mischke: Der Umgang mit dem Tod, S. 39.
[108]
Ariès: Geschichte des Todes, S. 138.
[109]
Mischke: Der Umgang mit dem Tod, S. 40 f.
[110]
Mischke: Der Umgang mit dem Tod, S. 39.
[111]
Mischke: Der Umgang mit dem Tod, S. 39.
[112]
Ariès: Geschichte des Todes, S. 19 f.
[113] „Die Handlungen, die vom Sterbenden vollzogen
werden, nachdem sein nahes Ende sich ihm angekündigt hat – er ruht mit dem
Gesicht zum Himmel, gen Osten gewendet, die Hände auf der Brust verschränkt –,
haben einen zeremoniellen, rituellen Charakter. Es lassen sich darin noch
mündliche Elemente dessen ausmachen, was später zum mittelalterlichen, von der
Kirche als Sakrament eingeführten Testament werden sollte: das
Glaubensbekenntnis, die Beichte der Sünden, die Bitte um Verzeihung für die
Hinterbliebenen, die frommen Verfügungen zu ihren Gunsten, die Empfehlung der
eigenen Seele an Gott, die Wahl des Grabes. Man hat den Eindruck, als ob das
Testament die Verfügungen und Gebete schriftlich aufzeichnen und verbindlich
machen sollte, die die Dichter der Heldenepen der Spontaneität der Sterbenden
anheimstellten.“ In: Ariès: Geschichte des Todes, S. 29.
[114]
Mischke: Der Umgang mit dem Tod, S. 38.
[115]
„Das ,berühmteste Beispiel für das Kirchenasyl ist kein reales, sondern ein
literarisches: In […] ,Notre-Dame de Paris“, dessen Handlung im Paris des
ausgehenden 15. Jahrhunderts spielt, schildert Victor Hugo an zentraler Stelle
zunächst konkret die Flucht der beiden Hauptfiguren […] ins Kirchenasyl, um
kurz darauf zur Erklärung den Gedanken des Kirchenasyls im mittelalterlichen
Verständnis in allgemeiner Form zu erläutern. Auf dieses Beispiel – wird in
unterschiedlicher Tendenz – noch in der aktuellen Diskussion um die rechtliche
Beurteilung des Kirchenasyls in Deutschland Bezug genommen.“ In: Christoph
Görisch: Kirchenasyl und staatliches Recht. S. 19. Bei Hugo ist denn auch zu
lesen: „Es kam manchmal vor, daß ein feierlicher Paralmentserlaß die
Zufluchtsstätte verletzte und den Verurteilten dem Henker überlieferte; aber es
geschah selten. Die Gerichtshöfe traten dadurch den Bischöfen zu nahe, und wenn
diese beiden Würdenträger aneinander gerieten, hatte die Amtsrobe kein leichtes
Spiel gegen die Soutane. Manchmal jedoch […] trug der Gerichtshof den Sieg über
die Kirche davon und ließ das Urteil vollstrecken; aber wehe dem, der es wagte
ohne Parlamentsbeschluß mit bewaffneter Hand einen Zufluchtsort zu entweihen!“
In: Victor Hugo: Der Glöckner von Notre-Dame, S. 380.
[116]
Mischke: Der Umgang mit dem Tod, S. 39.
[117]
Ariès: Geschichte des Todes, S. 138.
[118]
Ariès: Geschichte des Todes, S. 137.
[119]
Ebd.
[120]
Vgl. Ariès: Geschichte des Todes, S. 137 f.
[121]
Ariès: Geschichte des Todes, S. 138.
[122]
Ariès: Geschichte des Todes, S. 137.
[123]
Vgl. A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin
McDonaght’s In Bruges. S.54 f.
[124] A
Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s
In Bruges. S.54.
[125]
McDonagh: IN BRUGES, S. 72
[126]
Vgl. Alfred Alvarez: Der grausame Gott. Eine Studie über den Selbstmord, S. 63.
[127]
Alvarez: Der grausame Gott, S. 84.
[128]
Jörn Ahrens: Selbstmord. Die Geste des illegitimen Todes, S. 61.
[129]
Ahrens: Selbstmord, S. 75 f.
[130]
Alvarez: Der grausame Gott, S. 64.
[131]
Vgl. Ebd.
[132]
Vgl. A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin
McDonaght’s In Bruges. S. 52.
[133]
Alvarez: Der grausame Gott, S. 84.
[134] A
Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s
In Bruges. S. 56.
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