picti mundi - gezeichnete und gemalte Welten
Sonntag, 5. Mai 2024
Ein literarischer Kriminalroman (geschrieben von mir)
Donnerstag, 12. Januar 2023
Endlich! Oder: Die Schönheit der Vergänglichkeit
Wir können nicht aufhören zu erzählen, in einem endlosen inneren Monolog erzählen wir uns Geschichten über uns selbst, manche davon sind wahr, einige nur ein bisschen, einige überhaupt nicht. Wir alle sind Fiktion, aber dass glauben wir nicht weil wir uns mitten in ihr befinden wie in einem Fortsetzungsroman.1
Diesen simplifizierten Erzählungen, diesen Erklärungsversuchen, wie dieser Beitrag einer ist, liegt denn immer auch ein narratives Element – ein roter Faden – zu Grunde, der sich vom Beginn zum Ende hinweg spinnt. Wie der Schicksalsfaden der Moiren in der griechischen Mythologie ist dieser zentrale Strang jedoch im individuellen Wollknäul einer Geschichte häufig erst im Nachhinein wirklich zu entwirren. Die tragende Bedeutung wird diesem zentralen Faden jeweils erst durch den Blick zurück verliehen.
Es ist ganz wahr, was die Philosophie sagt, dass das Leben rückwärts verstanden werden muß. Aber darüber vergißt man den anderen Satz, dass vorwärts gelebt werden muß.2
Widmung
In schmerzhaft schwerer und freundschaftlich schöner Erinnerung an Patrick W.Du hattest immer an die Schönheit langer Nächte,an die Einzigartigkeit kleiner Cafés,an den Zauber guter Literaturund an die Kraft schlechter Filme geglaubt,aber zuletzt nicht mehr an dich.
Picture the person you love the most. Picture them sitting on the couch, eating cereal, ranting about something totally charming. Like how it bothers them when people sign their emails with a single initial instead of just taking those four extra keystrokes to finish the job––Chaos will get them.Chaos will crack them from the outside––with a falling branch, a speeding car, a bullet––or unravel them from the inside with the mutiny of their very own cells. Chaos will rot your plants and kill your dog and rust your bike. It will decay your most precious memories, topple your favorite cities, wreck any sanctuary you can ever build.It’s not if, it’s when. Chaos is the only sure thing in this world. The master that rules us all. My scientist father taught me early that there is no escaping the second law of thermodynamics. Entropy is only growing, it can never be diminished, no matter what we do.3
Angesichts des Todes zum Beispiel, wenn unser Sein als solches sich scharf vor dem Hintergrund des Nichts (nihil) abzeichnet, und Fragen auftauchen, wie: ‚‚Wozu habe ich überhaupt gelebt?‘‘ – ‚‚Woher komme ich, und wohin gehe ich?‘‘, dann gähnt eine Leere, die sich durch nichts in der Weltfüllen läßt. Ein Abgrund tut sich im Grund unserer Existenz auf. Angesichts dieses Abgrunds taugen die Dinge nichts mehr, die bisher die Inhalte unseres Lebens ausgemacht haben. Dieser Abgrund liegt indessen eigentlich immer schon unserer Existenz zugrunde. Der Tod zum Beispiel ist nicht etwas, dem wir vielleicht in ferner Zukunft begegnen. Auf Schritt und Tritt begegnet unser Leben dem Tod; immer schon steht es mit einem Fuß im Reich des Todes. Stets am Rande eines Abgrunds, kann es in einem Nu zunichte werden. Unser Dasein ist eigentlich zusammen mit Nicht-Sein entstandenes Sein. […] Das heißt, unsere Existenz ist eine flüchtige Existenz. Dieses Nichts macht den Sinn des Lebens sinnlos. Daß wir uns also selbst zu einer Frage werden und nach dem Wozu unserer Existenz fragen, zeigt an, daß das Nichts vom Grund unseres Seins her aufgetaucht ist, und daß wir von daher dazu getrieben werden, daß sich unser Dasein für uns selber in ein Fragezeichen verwandelt. Das Auftauchen dieses Nichts ist nichts anderes als die Vertiefung des Gewahrwerdens unseres eigenen Seins – welches gewöhnlich keine solche Tiefe erreicht. Gewöhnlich bewegen wir uns unaufhörlich vorwärts, den Blick auf das eine oder andere gerichtet. Immer sind wir mit etwas in uns oder außerhalb von uns beschäftigt, und dieses Beschäftigtsein steht jenem Gewahrwerden im Weg, von dem wir gerade gesprochen haben. Es verstellt uns die Möglichkeit, daß jener Horizont sich auftut, innerhalb dessen wir aus unserem Dasein eine Frage werden lassen können.6
CAITLIN DOUGHTY: [...] you will die, and that's the most important thing.JAD ABUMRAD: Writer, mortician Caitlin Doughty.CAITLIN DOUGHTY: And I think most people get that. I think most people get that they're gonna die, but I don't think what most people get is that the fact that they're going to die is the most important thing that will ever happen to them. Humans are one of the few creatures that understand death, and understand -- live -- live their whole lives with the knowledge of their deaths.7
live their whole lives with the knowledge of their deaths. And so it's this conflict within us. We live in these shitty, decaying bodies, but we feel so special and we feel so important. So how do you reconcile those two things? It's hard to reconcile them, so you have to create, you have to transcend. You have to have religion, you have to have communities, you have to have art. Those are created by our -- our fear and our strange, difficult, weird relationship with death.9
Sie werden überrascht sein, mich auf Ihre Frage, woran ich glaube oder was ich am höchsten stelle, antworten zu hören: es ist die Vergänglichkeit. – Aber die Vergänglichkeit ist etwas sehr Trauriges, werden Sie antworten. – Nein, erwidere ich, sie ist die Seele des Seins, sie ist das, was allem Leben Wert, Würde und Interesse verleiht, denn sie schafft Zeit, – und Zeit ist, wenigstens potentiell, die höchste, nutzbarste Gabe.10
Schreibend halte ich mich am Leben und überlebe. Jeden Tag wieder. Ich schreibe, um diese unglaubliche Gelegenheit am Leben zu sein ganz genau wahrzunehmen und zu feiern. Ich schreibe um einen Sinn zu finden, obwohl es am Ende wahrscheinlich keinen gibt. Wir sind alle Geschichtenerzähler, vielleicht macht uns das zu Menschen.11
Our clan shall live on in that story. That story begins like this: The Buddhas's temple bells toll the message... that all existence is impermanent. The sal tree's blossoms turn white to grieve him. A reminder that all who flourish must fall. Indulgence does not last. It shall but be like a spring night's dream.13
I finally understood, in a visceral way, there isn't a simple way out of grief. What there is, is people - sitting with them, listening to them while they're still here for as long as you can.14
Human beings make live so interesting. Do you know, that in a universe so full of wonders they have managed to invent boredom. Quite astonishing.15
... Susan: All right. I'm not stupid. You're saying humans need... fantasies to make life bearable.Death: NO. HUMANS NEED FANTASY TO BE HUMAN. TO BE THE PLACE WHERE THE FALLING ANGEL MEETS THE RISING APE.Susan: With Tooth fairies? Hogfathers?Death: YES. AS PRACTICE. YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES.So we can believe the big ones?YES. JUSTICE. MERCY. DUTY. THAT SORT OF THING.They're not the same at all!YOU THINK SO? THEN TAKE THE UNIVERSE AND GRIND IT DOWN TO THE FINEST POWDER AND SIEVE IT THROUGH THE FINEST SIEVE AND THEN SHOW ME ONE ATOM OF JUSTICE, ONE MOLECULE OF MERCY. AND YET— AND YET YOU ACT AS IF THERE IS SOME IDEAL ORDER IN THE WORLD, AS IF THERE IS SOME...SOME RIGHTNESS IN THE UNIVERSE BY WHICH IT MAY BE JUDGED.But people have got to believe that, or what's the point?YOU NEED TO BELIEVE IN THINGS WHICH AREN'T TRUE, HOW ELSE CAN THEY BECOME?18
Wir schnipsen zwei-, dreimal mit den Fingern und dann sind wir tot und warten im Sonnenaufgang auf das Morgenrot. Wir mal ein X mit Kreide an die Stelle, an der wir früher standen, egal wie klein wir morgen sind, heute Nacht sind wir Giganten.19
Und während Thees Uhlmann, der zum Tanzen lädt, singt, dass "[d]as Leben [...] vielleicht die Summe aus verpassten Chancen"20 ist, höre ich von den Ärzten:
Der Himmel ist blau und der Rest deines Lebens liegt vor dir / Vielleicht wär es schlau, dich ein letztes Mal umzuseh'n / Du weißt nicht genau, warum - aber irgendwie packt dich die Neugier/ Der Himmel ist blau, und der Rest deines Lebens wird schön.21
Dienstag, 1. November 2022
Die Bildsprache der Vögel im „Garten der Lüste“
Ob als zentrales Motiv oder als vage Andeutung im Hintergrund, Vögel sind in einer Vielzahl von Gemälden und Bildnissen, gleich aus welcher Zeit diese stammen, zu finden. Im jeweiligen Bild können sie eine einfache Staffage oder aber ein komplexes mythologisches beziehungsweise religiöses Symbol sein. Um diese Vielschichtigkeit ihrer Bildsprache exemplarisch für zumindest einige Vogelarten zu erläutern, werden dieser und zwei weitere Gastbeiträge insgesamt neun Vögeln etwas genauer auf ihr Gefieder schauen. - picti mundi -
Hieronymus Boschs „Der Garten der Lüste“ lässt sich typologisch in die Kategorie der Altartryptichen verorten. Auf dem linken der drei Altarflügel ist der Garten Eden dargestellt mit Gott, Eva und Adam, der mittlere thematisiert das Paradies und der rechte die Hölle.1 Die Interpretation des Werkes ist bis heute umstritten und eine einheitliche Meinung hat sich bisher nicht durchgesetzt. Gemeinhin ist man sich jedoch einig, dass es sich bei dem Werk um eine phantasievolle Szenerie handelt und keine reale Welt, wie der Bezug zum Paradies ja auch schon verrät. Es scheint eine Welt der freudenhaften Ausschweifungen des Lebens zu sein, die sich in der Unbekümmertheit und Lasterhaftigkeit der Protagonisten zu äußern scheint.2 Durch die Beziehung der dargestellten Menschen und der Tiere scheint eine gewisse Symbiose generiert zu werden, wie die Vögel, die verschiedene Menschen füttern, Fische, die fliegen oder sich von Menschen tragen lassen, Menschen, die sich in Muscheln verkriechen und zwischen die Beine eines Vogels drängen.3 Der Punkt, den Hieronymus möglicherweise in den Vordergrund rücken wollte, ist die Beziehung des Menschen zu sich selbst und der Natur. Ebendiese Betrachtung gilt auch für die Vögel, deren Mensch-Tier-Beziehung und ihre Symbolik in der Bildenden Kunst im Folgenden genauer erfasst werden soll. Hierbei werden die Symbole der abgebildeten Vogelarten Rotkehlchen, Grünspecht, Wiedehopf, Ente und Eisvogel im Vordergrund stehen und deren literarische Herkunft und Entwicklungen. Die Vögel, die hier genauer betrachtet werden sollen, sind alle im mittleren Altarflügel, dem so genannten „imaginären Paradies“4 zu finden, wenngleich Vögel im gesamten Triptychon abgebildet werden.
Die Darstellung des Distelfinken im christlichen Zusammengang ist bereits ausführlich erläutert worden und wird an dieser Stelle nicht mehr aufgegriffen. Seine Bedeutung als Heiligenattribut Marias und Christus und vor allem im Zusammenhang mit seiner Tugendhaftigkeit und der Verbindung zum Wasser des Lebens scheinen hier aufgegriffen worden, da er die hungrig erscheinenden Menschen mit Nahrung versorgt. Die gräuliche Färbung der Personen steht möglicherweise für ihre Sünden und die Brombeeren für die süße Gnade Gottes. So könnte man sich sicherlich das Vorkommen des Distelfinken in diesem Werk erklären. Es sein angemerkt, dass dies nur eine mögliche Interpretation von vielen ist.
Das Rotkehlchen
In der Bibel wird das Rotkehlchen nicht erwähnt, jedoch lässt es sich durch eine alte wallonische Sage durchaus mit einer christlichen Ikonographie verbinden. Denn laut dieser Sage versuchten Rotkehlchen den Blutfluss des am Kreuz hängenden Jesus zu stillen, was ihnen jedoch nicht gelang. Das Blut blieb aber an ihnen haften und aus diesem Grund ist das Gefieder des Rotkehlchens an seiner Kehle rot.5 Auch in einer niederländischen Legende findet sich eine ähnliche Geschichte. Hier wird ebenfalls vom am Kreuz genagelten Jesus berichtet, der durch das Tragen der Dornenkrone Schmerzen erleiden muss. Das Rotkehlen bemerkt dies und zieht ihm mit dem Schabel einen Dorn aus der Haut, woraufhin ein Bluttropfen auf das Gefieder des Vogels gelangt. Jesus spricht daraufhin: „Zum ewigen Gedächtnis, liebes Vögelein, sollst du und deine Nachkommen das rote Flecklein auf der Brust behalten, und die Menschen sollen euch Rotkehlchen nennen.“6 Da es sich bei diesen Sagen um den wallonischen und niederländischen Kulturraum handelt, ist es sicherlich möglich, dass Bosch, der selbst aus den Niederlanden stammte, diese Legenden bekannt waren oder zumindest in ähnlicher Weise. Dies würde sein Vorkommen als Motiv erklären. Ebenso könnte der ihm zugeneigte, nachdenklich wirkende Mensch der auf dem Distelfinken sitzt, das erwähnte „Gedächtnis“ symbolisieren und die Erinnerung an seine gutmütige Tat.
Der Grünspecht
Der Grünspecht ist ein Vogel, der in der Bibel nicht erwähnt wird. In der Concordantiae Caritatis hingegen gibt eine ausführliche Beschreibung zu ihm. Dort heißt es:
Aristoteles sagt: Wenn in den Baum, in dem ein Specht nistet, ein eiserner Nagel eingeschlagen worden ist, dann springt er von selbst wieder heraus und fällt zur Erde. Als diesen Specht erkenne den Heiligen Geist: Wenn er in einem Baum, das heißt im Herzen eines lebenden Menschen, sein Nest gebaut hat, das heißt wenn er in ihm seine Gnade und sein göttliches Handeln zur Erzeugung einer Handlung in geistlicher Weise hat wohnen lassen wollen und seine Wohnstatt errichtet hat, dann wird der eiserne Nagel, d.h. das gewohnte Werk der Bosheit und Sünden, sofern er durch Verhärtung und Bosheit in dieses Menschen Herz eingehämmert gewesen ist, sogleich, d.h. ohne Aufschub, wieder herausspringen, d.h. wegen der Anwesenheit des Heiligen Geistes, die das Gewissen erleuchtet, vollständig fliehen und verschwinden. Laßt uns darum beten, daß sich dieser Vogel in uns niederlasse und die Gicht der Sünden von uns weit wegtreibe.7
Hier wird der Vogel mit dem Heiligen Geist verglichen und metaphorisch betrachtet, im Herzen der Menschen zum Werkzeug gegen die Sünden. Volksmedizinische Erwähnungen über den Grünspecht bescheinigen ihm eine heilende Wirkung bei unterschiedlichen Beschwerden. So sagt eine alte deutsche Volksweisheit, man solle sich das Nest eines Grünspechtes um den Kopf binden wodurch die Kopfschmerzen für immer verschwinden sollen. In Tirol wurde das gutschmeckende Fleisch des Vogels zur Bekämpfung der Fallsucht angewandt und der Verzehr der Federn, sollte in Frankreich vor Bezauberung schützen.8
Betrachtet man sich den Grünspecht im „Garten der Lüste“, bemerkt man die menschliche Figur, die auf seinem Körper sitzt und eine Art Glaskuppel auf dem Kopf trägt. Tatsächlich könnte an dieser Stelle die heilende Kraft bei Kopfscherzen thematisiert werden, jedoch ist dies nur eine mögliche These. Der christliche Zusammenhang in Bezug auf die Erwähnung in der Concordantiae Caritatis hingegen lassen sich schwieriger in die Bedeutung der Bildsprache integrieren.
Der Wiedehopf
Für den Wiedehopf findet sich lediglich im 3. Buch Mose (Lev 11, 13-19) der kurze Hinweis:
Und diese sollt ihr verabscheuen unter den Vögeln, dass ihr sie nicht esst, denn ein Gräuel sind sie: den Adler, den Habicht, den Fischaar, den Geier, die Weihe mit ihrer Art und alle Raben mit ihrer Art, den Strauß, die Nachteule, den Kuckuck, den Sperber mit seiner Art, das Käuzchen, den Schwan, den Uhu, die Fledermaus, die Rohrdommel, den Storch, den Reiher, den Häher mit seiner Art, den Wiedehopf und die Schwalbe.
Dieses, bereits weiter oben verwendetes Zitat verortet den Vogel in eine Kategorie der negativ behafteten Vogelarten und ist gleichzeitig die einzige Erwähnung in der Bibel. Im Phsyiologus hingegen heißt es über den Wiedehopf:
Es gibt einen Vogel, der heißt Wiedehopf. Und seine Kinder, wenn sie sehen, daß die Eltern alt sind, reißen sie ihnen die alten Federn aus und lecken ihre trüben Augen und wärmen ihre Eltern unter ihren Flügeln und behandeln sie wie Junge, und so werden sie wieder jung. Sie sagen nun zu ihren Eltern: Wie ihr uns als Junge aufgezogen habt und euch bis zur Erschöpfung gemüht und uns gefüttert, so tun wir euch dasselbe. Und wie können Menschen so unverständig sein, daß sie nicht ihre eigenen Eltern lieben, die sie versorgen und in der Erkenntnis des Herren erziehen?9
Diese Beschreibung seines Wesens entkräftet das negative Bild in der Bibel nicht nur, sondern versieht den Wiedehopf als ein Vogel mit Attributen besonders großer Güte und Hilfsbereitschaft. In diesem Zusammenhang ist auch möglicherweise der Wiedehopf in Boschs Werk zu betrachten, der hier in seinem Gefieder, schützend einen Menschen beherbergt, wie die Eltern ihr umsorgtes Kind.
Die Ente
Auch die Ente wird in der Bibel nicht erwähnt. In der mittelalterlichen Literatur hingegen taucht sie auf, jedoch als Tier mit negativ konnotierten Eigenschaften. So heißt es beispielsweise, dass man mit einer zahmen Lockente Enten fängt, was als Bild eine Anspielung auf den Teufel und die Personen sein soll, die dieser erst durch ihre Sünden fängt. Zudem wird die Ente als Tier beschrieben, dass sich im Kot ernährt, was so viel bedeuten soll, dass der Gottlose nur zeitliches Gut begehrt. An anderer Stelle ist von Enten und Gänsen die Rede, die auf den Grund von Gewässern tauchen, das Wasser abschütteln und mitunter Unrat im Schnabel haben. Im übertragenen Sinne soll dies für Menschen stehen, bei denen nichts vom Inhalt einer Predigt haften bleibt.10 Hier entsteht das Bild der Ente als „niederes“ Tier, was räumlich betrachtet im Gemälde visuell reproduziert wird. Möglicherweise ist auch die Sündhaftigkeit in ihr symbolisiert, in diesem Fall durch das küssende Paar auf dem Rücken des Tiers.
Der Eisvogel
In der Bibel wird der Eisvogel nicht direkt erwähnt, findet sich aber in anderen christlichen Schriften des Mittelalters, wie in der Concordantiae Caritatis. Dort beschreibt man den Eisvogel mit den folgenden Worten: „Dieser wunderschöne Eisvogel ist Christus in seiner größten Vollkommenheit jeglicher Tugend und Gnade; die Federn seines Federkleides sind alle jene, die sich in Frömmigkeit auch mit dem überaus kostbaren Blut seines Leidens und Sterbens bewahren.“11 Nach einem alten heidnischen Volksglauben nistet der Eisvogel auf dem Meer und sobald er dies getan hat verschwinden alle Stürme. Hieran schließt sich im Mittelalter die Vorstellung der „meerstillen Nester des Eisvogels als Sinnbild der Muttergottes.“12 Nach einer mittelalterlichen Sage, die sich an die biblische Erzählung zu Noah und die Taube anlehnt, wurde der dort genannte Wasserspecht vor der Taube entstand um das Land zu entdecken. Er flog jedoch so hoch, dass er in das Blau des Himmels eintauchte und so sein blaues Gefieder erhielt. Jedoch war er geneigt sich aus Neugierde so nah wie möglich der Sonne zu nähern, was ihm zum Verhängnis wurde da ein Teil seines Gefieders verbrannte und er sodann zur Erde hinabstürzte, um sich in den Fluten des Meeres zu kühlen. Aus diesem Grund besitzt er die roten Federn. Seinen Auftrag erfüllte er aber nicht, sondern die Taube, die Noah anschließend entsandte als der Wasserspecht nicht zurückkehrte.13
In diesem Zusammenhang könnte der Eisvogel bei Hieronymus Bosch sowohl eine positive Bedeutung haben, wie der Vergleich zur Frömmigkeit Jesus oder als Sinnbild der Gottesmutter, aber auch eine negative Symbolik, als übermütiger Vogel, der seine Anweisungen nicht befolgt und sich dadurch selbst schadet. Leider gibt es auf dem Altar keinen zwingenden Hinweis auf die Deutung einer solchen Ikonographie an dieser Stelle, die einen eindeutigen Aufschluss geben könnte.
Abschließende Bemerkungen
Die hier und in den letzten beiden Blogeinträgen angeführten Beispiele der unterschiedlichen Vogelsymbole in der Bildenden Kunst und ihre dortige Manifestation skizzieren eine Bildsprache, die seit Jahrstausenden tradiert wird und sowohl bereits vorhandene Inhalte überträgt, als auch neue generiert und so das Bedeutungsspektrum erweitert. Der Weg in das kulturelle Gedächtnis der unterschiedlichen Kulturen, wie zum Beispiel die mythologischen Erzählungen und biblischen Schriften, fand hierbei nicht nur durch Sprache und Verschriftlichung statt, sondern ebenso über die visuelle Übertragung, die sich in Form verschiedener Kunstgattungen und den mannigfaltigen Vogelrepräsentationen dort äußerst.
Selbstverständlich muss der Blick aufs Gefieder der in diesen Beiträgen benannten Gemäldevögeln ein flüchtiger sein, hoffentlich war er jedoch zugleich auch eine erste Annäherung daran, wie Kunstwerke mit ein- und verschiedenfarbigen Vogelfedern seit der Antike geschmückt und damit mit Bedeutung versehen wurden.
Dieser Blogeintrag wurde verfasst von Philippe H.
1 Belting, Hans: Hieronymus Bosch. Der Garten der Lüste. New York 2002, S. 21.
2 Belting (2002), S. 47.
3 Vgl. Gattiker, Ernst/Gattiker, Luise (1989), S. 54.
4 Belting (2002), S. 86.
5 Vgl. Gattiker, Ernst/Gattiker, Luise (1989), S. 92.
6 Gattiker, Ernst/Gattiker, Luise (1989), S. 92
7 de Campo Liliorum, Udalcrius/Douteil, Herbert: Die Concordantiae Caritatis des Ulrich von Lilienfeld: Edition des Codex Campililiensis 151 (um 1355). Münster 2010, Bd. 1, S. 255.
8 Vgl. Gattiker, Ernst/Gattiker, Luise (1989), S. 255.
9 Treu (1981), S. 20.
10 Vgl. Schmidtke, Dietrich: Geistliche Tierinterpretationen in der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters (1100 - 1500). Berlin 1968, S. 277 f.
11 de Campo Liliorum, Udalcrius/Douteil, Herbert (2010), Bd. 1 S. 293.
12 Gattiker (1989), S. 274.
13 Vgl. Ebd., S. 276.
Literaturverzeichnis
Barney - Barney, Stephen: The Etymologies of Isidor of Seville. New York 2006.
Belting - Belting, Hans: Hieronymus Bosch. Garten der Lüste. München 2002.
Bernard - Bernard, Andreae: Antike Bildmosaiken. Mainz 2003.
De Campo/Douteil - de Campo Liliorum, Udalcrius/Douteil, Herbert: Die Concordantiae Caritatis des Ulrich von Lilienfeld: Edition des Codex Campililiensis 151 (um 1355). Münster 2010, Bd. 1.
Gattiker - Gattiker, Ernst/Gattiker, Luise: Die Vögel im Volksglauben. Eine volkskundliche Sammlung aus verschiedenen europäischen Länder von der Antike bis in die Gegenwart. Wiesbaden 1989.
Hercher - Hercher, Rudolph: Claudius Aelianus, De natura animalium libri XVII, 2 Bd. Leipzig. 1864-66.
Holzberg - Holzberg, Niklas: Ovid, Metamorphosen. Lt.-dt., hg. u. übers. v. N. Holzberg. Berlin/Boston 2017.
Houtzager - Houtzager, Guus: Illustrierte griechische Mythologie Enzyklopädie. Eggolsheim 2006.
Keel - Keel, Othmar: Die Welt der altorientalischen Bildsymbolik und das Alte Testament. Köln 1972.
Lother - Lother, Helmut: Der Pfau in der frühchristlichen Kunst. Leipzig. Leipzig 1929.
Luther - Luther, Martin: Die Bibel. übers. v. M. Luther. Deutsche Bibelgesellschaft. Stuttgart 1999.
Olbrich - Olbrich, Erhard: Psychologie der Mensch-Tier-Beziehung. In: Lenz, Karl/Nestmann, Frank (Hgg,): Handbuch Persönliche Beziehungen. Weinheim 2009.
Reimbold - Reimbold, Ernst Thomas: Der Pfau. Mythologie und Symbolik. München 1983.
Roth-Bojadzhiey - Roth-Bojadzhiey, Gertud: Studien zur Bedeutung der Vögel in der mittelalterlichen Tafelmalerei. Köln 1985.
Scherbaum - Scherbaum, Anna: Albrecht Dürers Marienleben. 2004.
Schmidtke - Schmidtke, Dietrich: Geistliche Tierinterpretationen in der deutschsprachigen Literatur des Mittelalters (1100–1500). Berlin 1968.
Simon - Simon, Erika: Die Geburt der Aphrodite. Berlin 1959.
Trenner - Trenner, Florian/Hagendorn, Susanne: Christliche Tiersymbolik. München 2010.
Treu - Treu, Ursula: Physiologus. Naturkunde in frühchristlicher Deutung. Berlin 1981.